Januar 2020 Hier bin ich also: Manila, Philippinen. Penthouse, ca. 40. Stock. Noch nicht in China, aber nah dran. Der Blick auf die Bucht von Manila. Dahinter, das Südchinesische Meer. Das wohl grösste, ungelöste, maritime Pulverfass unserer Welt, weit am Horizont. Ein geopolitischer Hotspot. Hier treffen sicherheitspolitische und ökonomische Interessen zahlreicher Anrainerstaaten aufeinander, die teilweise dieselben Seegebiete für sich beanspruchen. Ok, ich merke, meine politischen Interessen drücken hier etwas durch. Ich verschone euch. Ich akklimatisiere mich in Manila gerade etwas an und büffle die letzten chinesischen Vokabeln, bevor ich dann gegen Ende Januar direkt nach Shenzhen fliege. Rund zwei Stunden wird der Flug dauern, ein Katzensprung. Erst Mitte Februar 2020 beginnt dann der Unterricht in der Sprachschule. Also akklimatisiere ich mich auch in Shenzhen nochmals etwas an, bevor der Unterricht dann effektiv beginnt. Ein Schelm, wer jetzt Böses dabei denkt. Man kann ja nicht so ganz ohne Weiteres von einer Hängematte direkt wieder auf eine Schulbank, oder? Der erste Spaziergang in Manila Die Panoramascheiben mit Sicht auf die Manila Bay ermöglichen einen Blick auf den regen Schiffsverkehr rund um den riesigen Hafen. Fischerboote, Militärschiffe, Containerschiffe. Hier schlägt mein Logistiker-Herz höher. Wie versorgt man 13 Millionen Menschen in Metro Manila? Wieviel potentielles Wirtschaftswachstum es hier in den nächsten Jahren noch geben könnte, wurde mir bewusst als ich am 1. Januar 2020 um ca. 08:00 Uhr auf der Suche nach einem Frühstücksrestaurant die ersten 200 Meter die Strasse hinunterschlich. In der Nacht zuvor, dem Silvesterabend, liess ich mich noch direkt mit dem Taxi vom Flughafen zur Unterkunft chauffieren. Diesmal nun, nur wenige Stunden danach, die ersten Schritt bei Tageslicht auf philippinischem Boden. Der morgendliche Spaziergang in einem der notabene luxuriöseren Stadtviertel, verdeutlichte mir aber einmal mehr wie nah Armut und Reichtum beieinander liegen können. Auf diesen 200 Metern, in nur 5 Minuten zu Fuss, habe ich mindestens 40 Menschen auf der Strasse schlafen sehen. Ganze Familien, die Kinder aneinander gekuschelt. Alle lagen sie da auf nacktem Boden und ohne Decken. Willkommen im Jahr 2020. Flucht ins Penthouse Also bin ich nach dem Frühstück zurück in mein Penthouse geflüchtet. Ein "günstiges" Airbnb. Meiner Meinung war das ein wahres Schnäppchen. Hier ist er wieder, der Wahnsinn dieser Welt. Die Flucht aus der Realität. Das Hochhaus beheimatet einen hauseigenen Pool im sechsten Stock und ein Fitnessstudio. Am Eingang des 40-stöckigen Hochhauses - natürlich Eingangskontrollen. Hier oben kann ich mich fokussieren und mich in Ruhe meinen zahlreichen Projekten widmen. Das Südchinesische Meer und die Probleme der Obdachlosen - weit weg. Die Realität - ausgehebelt. Doch einige Stunden später hat es mich für die routinemässige Nahrungsaufnahme wieder raus in die Gassen getrieben. Ganz nach dem Motto meines Vaters, nach Ankunft immer erstmal die Strassen rund um das Hotel zu erkunden, lief ich einmal mehr die Strasse runter, um die Ecke, und die nächste Strasse wieder rauf. Die Luftfeuchtigkeit und Temperatur nun spürbar höher. Das hektische Treiben auf den Strassen - unfassbar. Die Stadt ist aufgewacht. Die schlafenden Menschen? In der Menge untergetaucht. Ein paar Bettler hier und da, aber ansonsten war es in etwa das Manila, auf das ich mich mental eingestellt hatte. Jollibee Also führte ich meine erste grössere Erkundungstour fort. Vorgefunden habe ich unter anderem ein 7-stöckiges Shoppingcenter in unmittelbarer Nachbarschaft, das aber an den meisten Tagen erst um 11:00 Uhr öffnet. Die Uhren scheinen hier tatsächlich etwas anders zu ticken. Der lokale McDonald's (der übrigens auch Reis verkauft), gleich gegenüber von meinem Hochhaus, ist natürlich Tag und Nacht geöffnet. Jollibee, die mit Abstand populärste und grösste Fast-Food Kette in den Philippinen - ebenfalls. Diese Kette scheint besonders auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen und verkauft den panierten Pouletschenkel mit Spaghetti und Tomatensauce gleich mit dem Reis dazu, aber (weil so gut) auch noch mit einem Hacksteak, dazu Rahmsauce, Pilze und Käse - alles auf einem Teller. Für umgerechnet CHF 2.85. Und mit Getränk. Um aber einen solchen paradiesischen Jollibee erreichen zu können, muss man es zuerst einmal heil und lebend über mindestens eine Strasse (denn Jollibee's gibt es nahezu an jeder dritten Strassenecke) schaffen. Ganz so einfach ist das nämlich nicht. Grund? Ein eklatanter Mangel an Zebrastreifen. Wer schon mal als Tourist oder geschäftlich in Südostasien war, kann dies wohl bestätigen. Am besten haftet man sich unauffällig einem Einheimischen an die Fersen. Sobald man dann, seitlich (ist sicherer) neben ihm, über die mehrspurige Strasse, dem Jollibee langsam aber sicher immer nähert kommt, und das Essen schon fast vor Augen hat, könnte man höchstens noch von einem Roller angefahren werden. Etwas blöder wäre es allerdings, würde man stattdessen von einem bunt bemalten philippinischen Jeepney überrollt werden. Bunte Jeepney's Die länglichen, halb-offenen Transportbusse sind legendär in Manila. Ursprünglich waren das Jeeps der US-Amerikaner, welche diese als Besatzungsmacht aber zurückgelassen hatten. Die Philippinos montierten dann kurzerhand noch ein Schattendach bemalten die Dinger bunt und mit religiösen Motiven. Wer noch damit fahren möchte, sollte sich aber beeilen. Anscheinend plant die Regierung diese aus dem Stadtbild zu entfernen. Kaum vorstellbar, noch sieht man sie überall. In Manila sollen rund 75'000 dieser Fahrzeuge registriert sein, im ganzen Land bis zu 270'000 Stück. Noch immer habe ich nicht ganz herausgefunden, ob hier an Haltestellen eingestiegen wird oder nicht. Immer wieder springen die Leute mitten auf der Strasse raus und rein. Chaos pur. Aber wahrlich ein Hingucker. Offiziell bietet der Jeepney etwa 14 Personen einen Sitzplatz. Nicht mit eingerechnet ist der Überrollte und die in der Rush-Hour zahlreich am Heck hängenden Philippinos, welche unglücklicherweise keinen Platz mehr auf den beiden Banken links und recht im Bus ergattern konnten. Ausserdem gibt es die Jeepney's auch in einer Luxusvariante mit Klimaanlage. Glück muss man haben, um ausgerechnet einen von diesen zu erwischen. Überhaupt muss man etwas Glück haben, um in der Rush-Hour noch einen Platz im oder am Jeepney zu erwischen. Bus komplett überfüllt. Metro maximal gestopft. Pinoy aber trotzdem happy. Sprachaufenthalt Die Geschichte wiederholt sich also. Nein, natürlich nicht die Geschichte mit der Hängematte. Die Geschichte mit dem Sprachaufenthalt meine ich. Vor ziemlich exakt 10 Jahren war das, damals noch in den letzten Zügen der saftigen Teenagerjahren. Ich ging in den nahen Westen, nach England. Dort hatte ich mir eine Stadt in den Kopf gesetzt, die Freude und Glück über mich erbringen sollte. So war es dann auch. Ein Puzzelteil in meinem Leben. Dort habe ich das erste Mal angefangen wirklich über mein Leben nachzudenken und auch was ich daraus zumachen gedenke. Nun ist es also erneut soweit. Shenzhen in China soll es diesmal sein. Ist vielleicht etwas weiter weg und soll kulturell auch etwas ferner liegen als das Vereinigte Königreich, aber meine Ziele sind grundsätzlich Dieseleben geblieben. Freude und Glück soll die Stadt über mich erbringen. Shenzhen ist sowas wie das Sillicon Valley von China. Ein Ort, wo aufstrebende Jungfirmen (Startups) aus der Tech-Szene (Internet Technologie) fruchtbaren Boden finden. Hier treffen sich Menschen, welche die Welt verändern wollen. Hier muss ich hin. Also habe ich, genau wie damals, die Trolleytasche gepackt. Emotionaler Abschied am Bahnhof mit meinem Eltern. Ja, ich komme wieder. Und ja, ich lasse von mir hören, versprochen. Es ist mal wieder der Anfang eines neuen Zeitabschnitttes. Wer ich bin? Mein Name ist Andrin. Ich komme aus der Schweiz und stehe durchschnittlich zwei Mal pro Jahrzehnt vor tektonischen Veränderungen in meinem Leben. Und weil mein letzter Blog, vor ziemlich exakt 10 Jahren, bei meiner Robbenkolonie wahnsinnig grossen Anklang gefunden hatte, spitze ich die Feder nun ein neuerliches Mal. Wieder sollte man das Geschriebene von mir nicht allzu ernst nehmen. Und wieder habe ich mich aufgemacht in eine neue Welt. Doch diesmal ist es nicht der nahe Westen sondern der ferne Osten. Diesmal ist das Ziel Shenzhen, China.
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test
6/1/2020 07:41:06
test
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Wer ich bin?Mein Name ist Andrin. Ich komme aus der Schweiz und stehe durchschnittlich zwei mal pro Jahrzehnt vor tektonischen Veränderungen in meinem Leben. |