26/7/2023 2 Comments Blogpost #21 - Teufelszeugs!Lebenszeichen aus Thailand
Aus aktueller Brisanz melde ich mich mal wieder aus Südostasien, genauer gesagt aus Bangkok, Thailand. Ich hause derzeit in “The Parkland”, ganz im Süden der Mega-Metropole. Wie der Name schon erahnen lässt, muss es hier eine Parklandschaft geben. Die gibt es auch. Und mit ihr auch alles, was in der Wildnis kriecht, fliegt und taucht. Das Erste, was mir in dieser kleinen, grünen Oase über den Weg gekrochen kam, war eine riesige Schildkröte. Diese versperrte mir mit ihrem beeindruckenden Panzer ausgerechnet den kürzesten der drei möglichen Pfade zu meinem Hauseingang. Und wenn sich so eine Schildkröte mal auf den Weg macht, kann es ja bekanntlich durchaus dauern. Ein Glück waren meine chinesischen Freunde nicht in der Nähe, die hätten das Ding direkt in die Pfanne geworfen. Also kam ich ins Gespräch. Nicht mit der Kröte, aber mit der Frau auf der Parkbank unweit des Ort des Geschehens. Taschta, so stellte sie sich mit Namen vor, weilte seelenruhig mit einem Strauss Salat in der Hand auf einer Parkbank und wohnte ihrem Haustier beim täglichen Abendspaziergang bei. Auf den Salat hatte ich ehrlich gesagt ebenfalls wahnsinnig Lust, dieser hätte perfekt in meine Ayurveda Ernährung gepasst. Für eine Sekunde dachte ich noch, ob ich mich jetzt ebenfalls auf den Boden schmeissen sollte um dem thailändischen Panzer etwas Konkurrenz beim Fressen zu machen. Es wäre bestimmt ein Gaumenspass gewesen an diesem saftigen Grünzeug knabbern zu dürfen. Letztlich verzichtete ich aber darauf und entschied mich stattdessen mehr über die Geschichte hinter den Beiden zu erfahren. Dies scheiterte dann aber bereits in den ersten fünf Sekunden an der Sprachbarriere. Leider ist die Kommunikation sowohl mit der Schildkröte, wie auch mit Taschta, gelinde gesagt nicht einfach. In Thailand ist das Englisch-Niveau weiterhin erschreckend tief, ganz im Gegenteil zu den Philippinen, wo Englisch bereits in der Grundschule gelernt wird. Von dort kam ich übrigens gerade her. Also nicht von der Grundschule, aber von den Philippinen. Und wie so oft gibt es aus diesem fantastischen Land wieder eine Story zu berichten. Der TikTok Trend Ich versuche den Blog etwas kurz zu halten, da die Aufmerksamkeitsspanne von euch bekanntlich nicht sonderlich hoch ist. Ich habe mir dieses Mal eine Unterkunft ganz im Norden von Metro Manila ausgewählt, in Quezon City. In der Mitte vom Condo-Komplex hatte es einen grossen Erwachsenen-Pool sowie einen kleinen Kinder-Pool. In letzterem plantschten jeweils die Eltern mit ihren Plagen. Es stellte sich aber heraus, dass es nicht die Schalmaienklänge der Pool-Landschaft waren, welche sich später noch als problematisch herauskristallisieren würden, sondern ein Spielzeug mit dem unscheinbaren Namen Lato-Lato. Willkommen in den Philippinen. Warum das wichtig ist? Nun, das Lato-Lato Spielzeug besteht aus zwei tischtennisball-grossen Hartplastik-Kugeln, welche an einer Schnur baumeln. Mit etwas Geschick kann man diese in gleichem Rhythmus oben und unten aneinander knallen lassen. Wichtig sind hier die letzten beiden Worte: knallen lassen. Ich sage euch, das ist ohrenbetäubend. Was ebenfalls noch wichtig zu erwähnen wäre, es geht letztlich darum möglichst lange nicht aus dem Rhythmus zu fliegen. Es muss also durchgehend knallen. “It’s more fun in the Philippines” war der Slogan der Philippinischen Tourismusbehörde aus dem Jahr 2012. Dank dem grossen Erfolg wurde er im Jahr 2019 gleich nochmals auserwählt und erst im Juni 2023 durch “Love the Philippines” ersetzt. Bereits bei der ersten Erkundungstour in meinem neuen Habitat in Quezon City bin ich auf eine Gruppe Kinder mit diesen teuflischen Knallkugeln gestossen. Anfangs dachte ich noch, das seien Einzelfälle. Später vermutete ich stark, ich sei in einem sogenannten Problemviertel gelandet. Als ich dann in meinem eigenen Pool weitere Halbwüchsige mit diesem Knallzeugs antraf, hoffte ich noch darauf das diese bald von ihren Artgenossen aus der Pool-Landschaft weggemobbt werden würden. Auch ein paar Stunden später glaubte ich erschreckenderweise immer noch daran, dass dies ein sehr lokales Phänomen sein muss und sich die Plagen bald freiwillig vom Acker machen werden, sobald es eindunkelt. Erst als mir meine lokalen Kontakte erklärten, dass die Spielzeuge gerade der letzte Schrei im Lande seien und die Lato-Lato-Mania seit meinem letzten Besuch in den Philippinen vor einem Monate erst so richtig Fahrt aufgenommen hatte, wurde mir die Tragweite dieser zweifelhaften Erfindung so richtig bewusst. Ich wurde gerade Zeuge von einem neuen Trend. Chancen und Risiken Ich öffnete mein MacBook und fing an zu recherchieren. Die Suchanfragen für Lato-Lato auf “Google Trends” ist in Südostasien geradezu explodiert. Ich organisierte umgehend eine Videokonferenz mit meinen Startup-Freunden aus Europa. Gibt es hier möglicherweise eine Geschäftsmöglichkeit? Könnten wir das Teufelszeug vielleicht gar nach Europa exportieren? Wenn es bei den europäischen Kids ebenfalls derart viel Anklang finden würde, könnte die ganze Sache durchaus noch ein Happy End nehmen. Aber wir müssten rasend schnell sein, der Trend breitete sich gerade aus wie ein Virus und griff auf die Nachbarländer über. Dann eskalierte die Situation komplett. Es gab kaum noch Kinder auf der Strasse ohne Lato-Lato in der Hand. Der Lärm war bis in den 7. Stock zu hören - bei geschlossenem Fenster. Lato-Latos soweit das Auge reicht. Sonntagmorgen 07:00 Uhr, und du wirst von haarsträubendem Lato-Lato-Geknalle geweckt. Das Kernproblem dabei ist, bei zu wenig Schlaf und Ruhe sehe ich jeweils am Folgetag aus wie eine Wasserleiche. Dann wurde auch noch ein lokales Lato-Lato-Turnier organisiert. Wer wohl auf diese Idee kam, eine solche Hurra-Veranstaltung ausgerechnet in unserer Condo-Komplex zu organisieren? Als wäre das nicht genug, verbreiteten sich immer mehr Lato-Lato-Videos auf TikTok, welche die Welpen dazu ermutigten an möglichst ungewöhnlichen Orten, möglichst schräge und skurrile Aufnahmen zu erzeugen. Dann, am Wochenende, bekam auch ich noch mein erstes eigenes Lato-Lato von einem Freund geschenkt. Tolles Ding, muss man zugeben. Ich liess es direkt mal in meiner Wohnung krachen. Tut mir etwas leid für die Nachbarn, aber da müssen wir alle zusammen durch - wie beim letzten Virus. Am nächsten Tag dann “Breaking News” im TV. Die Gesundheitsbehörde der Philippinen hat gerade bekannt gegeben, dass der Verkauf von Lato-Latos verboten wurde. Und noch besser, es wird gerade eine Säuberungsaktion organisiert um sämtliche im Umlauf befindende Lato-Latos zu konfiszieren. Kein Witz. Stunden später tauchten erste Live-Aufnahmen im Fernseher auf, welche Behördenvertreter mit Megafon in den Gassen von Manila zeigten und die Kinder aufforderten aus ihren Zimmern zu kommen und ihre Lato-Latos auszuhändigen. Sie kamen in Massen, die Plagen. Brigaden-äquivalente von philippinischen Kindern kamen aus ihren Zimmern gekrochen, meistens zwar weinend, was etwas herzzerreissend anzusehen war, aber immerhin fand das Drama ein tolles Ende. Den Eltern auf den Aufnahmen war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Ein paar Tage später war das ganze Schauspiel vorbei. Die Zwerge hängen heute wieder wie gewohnt an den Smartphones und auch in meiner Pool-Landschaft ist die Friedensordnung zurückgekehrt. “It’s more fun in the Philippines”
2 Comments
Iris
30/7/2023 13:41:33
Andrin, das ist witzig. Aber weisst du, dass wir als Kinder auch mit solchen Dingern spielten? Selbst Petr in der Tschechei. Dort hiess es Klick-Klack. Der Spass war irgendwann einfach vorbei. Ohne behördliche Massnahmen:-))))) es isch eim eifach irgendwenn "verdleidet" (wiä alles):-))))
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Andrin
30/7/2023 15:47:08
Und ich dachte das sei eine "Innovation" :-))
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Wer ich bin?Mein Name ist Andrin. Ich komme aus der Schweiz und stehe durchschnittlich zwei mal pro Jahrzehnt vor tektonischen Veränderungen in meinem Leben. |