Corona-Virus
Aus bestens unterrichteter Quelle habe ich erfahren, dass einige Leser für diesen Blog doch tatsächlich ihr komplettes Pandemieset aus dem Keller geschleppt haben und nun in gelber Vollmontur und mit summendem Anti-Virus-Program im Hintergrund auf diesen Beitrag warten. Diesen Leuten kann ich nur ein Kränzchen winden. Ich zum Beispiel hätte die Ankunft der Epidemie in Shenzhen nämlich um ein Pferdehaar verpasst. Bereits der Vulkanstaub in Manila rieselte mir beinahe durch die Lappen - und nun das noch. Die Ankunft des Virus Das ging folgendermassen: Wie bereits vor ein paar Wochen beim Taal-Ausbruch auf den Philippinen sass ich auch diesmal wieder hoch oben in einem Wolkenkratzer. Kaum war ich nämlich in Shenzhen angekommen, trieb es mich direkt in den sogenannten High-Tech-Park. In diesem ultra-moderner Stadtteil haben sich zahlreiche Technologiefirmen niedergelassen. Hier reihen sich Hochhäuser an Hochhäuser. Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten gibt es so weit das Auge reicht. Jede Shoppingnudel würde hier vor Freude direkt in die Glastür rennen. Also mietete ich mich erneut in einem WeWork-Büro ein und kam noch in der ersten Stunde mit einem jungen, geschäftlich-motivierten Deutschen und einem noch jüngeren, geschäftlich-motivierten Österreicher in Kontakt. Diese zeigten mir dann noch vor dem Nachtessen die nähere Umgebung und klärten mich über die wichtigsten Gepflogenheiten in China auf. Man könnte es durchaus einen Traumstart im neuen Land nennen. Das war aber damals. Das war vorletzte Woche. Der Wendepunkt Bereits am dritten Tag nach der Ankunft setzte sowas wie ein gewisser Arbeitsrhythmus bei mir ein. Aufgrund meines Visums darf ich nur 180 Tage in China bleiben, also möchte ich das Maximum daraus machen. Dann aber kam Tag X. Ich war produktiv, ich war speditiv, und alles lief perfekt. Es wurde Abend, dann später Abend und letztlich Nacht. Und weil meine Kontakte in Europa wegen der Zeitverschiebung durchgehend online waren - blieb ich es halt auch. Wir diskutierten, analysierten und debattierten über die nächsten Schritte beim Aufbau von unserem neuen Startup. Die Internetverbindung war mit weit über 100 MB pro Sekunde weiterhin schnell und stabil. Weiterhin spürte ich keine Anzeichen von Müdigkeit. Die Uhr tickte in atemberaubendem Tempo. Die Zeiger ratterten und brummten. Dampf stieg auf. Und dann war es plötzlich Morgen. Was ich zu dieser Zeit aber nicht wusste war, dass der Virus nun definitiv in Shenzhen angekommen ist. In der Zwischenzeit wurde nämlich das Personal unten beim Gebäudeeingang mit Fieber-Messgeräten ausgestattet. Jeder eintretenden Person wurde mit einer Mess-Pistole (Bild unten) die Temperatur auf der Stirn gemessen. Das da noch einer da oben im Turm sitzt, mit dem hatten die Chinesen wohl nicht gerechnet. Erst ein Kollege informierte mich dann über die neuen Eingangskontrollen vor unserem Gebäude. Schlussendlich wurden Masken verteilt und das Personal gab uns Empfehlungen, wie wir uns am Besten verhalten sollten. Kurz zusammengefasst sagten sie: Zuhause bleiben. Frohes Frühlingsfest Auch meine Vermieterin informierte mich freundlicherweise über die Existenz des Virus. Hier das Originalzitat von ihr ins Deutsche übersetzt: „Das chinesische Neujahr ist da. Ich wünsche Ihnen ein frohes Frühlingsfest und ein glückliches Jahr der Ratte. Bitte tragen Sie beim Ausgehen eine Maske!“ Also habe ich ihr ebenfalls ein glückliches Jahr der Ratte gewünscht. Das braucht sie dringend. Sie sitzt in Wuhan bei ihrer Familie fest. Am Nachmittag dann wurden wir informiert, dass der ganze Wolkenkratzer für mindesten eine Woche geschlossen wird. Anscheinend wurden fünf Fälle in direkter Umgebung registriert. Das Virus sitzt uns regelrecht im Nacken. Als Alternative - sollten wir das Arbeiten einfach nicht lassen können - wurde uns dann aber doch noch ein zweites WeWork-Büro in einem anderen Gebäude in Shenzhen empfohlen, deren Pforten noch geöffnet sind. Hier liegt die Betonung auf "noch". Die Situation spitzte sich in der Stadt aber zunehmend zu. Unterdessen wird an jeder Metro-Station jedem Fahrgast die Temperatur gemessen. Ebenso bei Eingängen zu Einkaufszentren, öffentlichen Gebäuden, Hochhäusern, Café’s, aber auch im Fitnessstudio. Heute wurde mir sogar buchstäblich während dem Essen in einem Restaurant das Fiebermess-Gerät an die Stirn gehalten. Da wollte ich gerade mit einer Gabel die Fledermaus aufstechen und zack hatte ich die Pistole am Kopf. Ok, der zweite Teil stimmt nicht ganz. Aber das die Messung während dem Essen erfolgte, ist wirklich so geschehen. Bei dieser Gelegenheit würde ich aber gerne auch noch anfügen, dass ich diese Massnahmen zu 100% unterstützte. Kontrollen an jeder Ecke An einem normalen Tag werde ich - je nach Aktivität und Tagesprogramm - zwischen fünf und fünfzehnmal mal kontrolliert. Neuerdings wird auch an der Einfahrt zu meinem Wohnquartier gemessen. In der Metro ist das tragen der Maske obligatorisch. Aber auch auf den Strassen sind, mit ganz wenigen Ausnahmen, keine Personen mehr ohne Maske zu sehen. Die Stadt selbst wirkt wie verlassen. Auf den Strassen ist weiterhin kaum Verkehr zu sehen. Die Metro ist leer. Der Bahnhof wie ausgestorben. Die allermeisten Restaurants sind seit den Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahr noch immer geschlossen. Das Fest der Ratte hätte also wirklich etwas positiver beginnen können. Was aber nicht heissen soll, dass man dabei nichts erzählenswertes erlebt. Zum Beispiel war da noch mein Termin bei einem chinesischen Friseur. Was kann da schon schiefgehen?
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Wer ich bin?Mein Name ist Andrin. Ich komme aus der Schweiz und stehe durchschnittlich zwei mal pro Jahrzehnt vor tektonischen Veränderungen in meinem Leben. |