Fundgrube Internet
Gerade noch war ich in Mexiko City wohlgenährt und rundum glücklich. Doch dann entdeckte ich irgendwo in den Tiefen des Interwebs einen erstaunlich interessanten Aufruf. Einen ganzen Monat Kroatien in einem sogenannten “Makers House” oder auch “Hacker House”. Zusammen mit Gleichgesinnten. Und für Essen sei gesorgt. Nase läuft. Nach einem kurzen Videocall war die Sache für mich klar - da muss ich hin. Ein kurzes Adios Amigos meiner Bande zwiespältiger Scheibenputzern in Mexiko. Dann war ich weg. Wenig später landete ich im kroatischen Küstenstädtchen Split. Anfangs dachte ich noch, dass sei ein für Touristen aufgepepptes Fischerdorf. Als ich ankam stellte ich aber mit Erstaunen fest, dass hier fast 200’000 Menschen leben. Nun wurde es gerade um 10 digitale Nomaden reicher. Der Koch aus der Schweiz Der Satz “für das Essen sei gesorgt” stellte sich dann aber als nicht ganz korrekt heraus. Ein Koch hatten die Organisatoren dieser Mission nicht aufgeboten. Und das Haus lag weit abgelegen auf einer kleinen Insel. Glücklicherweise stand ich gerade noch mit meinem ehemaligen Mitlernenden (früher: Lehrling) aus meiner Kochausbildung (früher: Lehre) in Kontakt. Dieser fackelte nicht lange und machte sich - notabene mit dem Auto - ebenfalls auf den Weg nach Kroatien. Damals - noch in der Kochlehre - gab ihm unser Hotel-Patron den Spitznamen Dattelzwicker. Wieso? Das weiss ich bis heute nicht. Aber belassen wir es doch dabei. Das Auto - sofern es die Hinfahrt überleben sollte - plante der Dattelzwicker dann nach dem einmonatigen Aufenthalt gleich in Kroatien für ein paar hundert Euro zu verschachteln. Plot Twist: am Ende würde sich herausstellen, dass seine Büchse zu den mitunter hochwertigsten auf dem ganzen Inselreich gehören würde. Das Aufgebot der Nomaden Die Konklave der digitalen Nomaden eröffnete ganz unspektakulär ohne Pauken und Trompeten. Die Teilnehmer hatten es aber durchaus in sich. Anfangs dachte ich noch: kann kommen, was möchte. Was dann aber kam, überraschte mich doch. Mit dabei waren - und jetzt haltet eure Pferde: ein reinrassiger Spanier, eine Kolumbianerin mit brasilianischer Abstammung, aber in Spanien lebend, eine Britin mit Wurzeln in Griechenland, Afrika und einem Polo-Platz, ein italienisches Original direkt aus Sizilien importiert, nochmals eine Spanierin und eine Britin ohne festen Wohnsitz, zwei Schweizer Kühe sowie ein Asiate australischer Abstammung - oder umgekehrt. Mit letzterem sah ich mich bereits ein Ramen jagen. Es stellte sich dann aber heraus, dass seine Wurzeln in der Region Shanghai liegen. Mehr Fledermaussuppe als Ramen also. Aber selbst wenn er sich als Japaner vorgestellt hätte, auf dieser abgelegenen Insel würde sowieso kein japanisches Futter wachsen. Leerer Futtertrog Dann plötzlich ein erster Schock. Wie karg die Supermärkte auf dieser Insel sind, erfuhr ich von unserem Dattelzwicker direkt nach seiner ersten Shoppingtour im Niemandsland. Angeblich hatte es insgesamt genau vier Gemüsesorten zur Auswahl: Karotten, Zucchetti, Tomaten und Broccoli. Da wir zwei Mahlzeiten pro Tag serviert bekamen, schaffte es der Broccoli durchschnittlich alle 48 Stunden auf die Menukarte. Später mehr zur Broccoli-Vergiftung in Woche vier. Kreditkarten wurden auf dieser Insel ähnlich karg akzeptiert wie Kryptowährungen. Ansonsten konnten wir aber wirklich nicht klagen. Hatten wir doch einen Swimmingpool, einen Billardtisch, einen Tischtennistisch sowie eine Sauna zur Verfügung. Genau so divers wie die Herkünften aller Teilnehmer waren auch deren Tätigkeiten. Waren da doch tatsächlich ein halb-professioneller Online-Pokerspieler, mehrere Jungunternehmer resp. Jungunternehmerinnen, ein Data-Scientist, eine Yoga-Lehrerin, ein Dattelzwicker, und einige klassische Büroangestellte im entfernten Home-Office. Unser Dattelzwicker nutzte die Gelegenheit beim Schopf und polierte mit uns internationalen Nomaden sein Englisch auf. Mit der englischen Zahl drei “three” hatte er aber noch so seine liebe Mühe. Wann immer möglich versuchte er diese Zahl um alles in der Welt nicht benutzen zu müssen. Als wir eines Abends auf der Heimfahrt bei McDonalds zu dritt im Auto sassen, bestellte er folglich vier Cheeseburger. Nun wunderte es mich auch nicht mehr, wieso er immer mit vier Broccolis nach Hause gezottelt kam. Ich dagegen war gottenfroh mich Rund um die Uhr hinter meinem MacBook verstecken zu können und mich nicht mit den langweiligen Dingen des Lebens - z.B. dem Einkauf - herumschlagen zu müssen. Der Nachtigall Als Nachteule schlug meine Stunde sowieso zu später Stunde. Und die Chinesische Fledermaus war - wie könnte es anders sein - ebenfalls nachtaktiv. Daher verbrachten wir die Nächte programmierend, diskutierend oder philosophierend in einem der oberen Stöcke des Hause. Dieser hatte zwar den Charme eins Aufbahrungsraums, aber immerhin war das WiFi-Signal stark genug. Unter der Woche wurde gearbeitet wie Bienen. Da wurden Videocalls in alle Herren Länder geführt. Eine Teilnehmerin aber hatte eine Stimme höher als meine Schulnoten. Wir konnten von Glück reden war das Haus gross genug, um etwas Abstand zu nehmen. Ein geplatztes Trommelfell würde sich auf dieser abgelegenen Insel kaum zeitnah stopfen lassen. Am Wochenende versuchten sich die meisten Nomaden mit sogenannten Freizeitaktivitäten. Das kenne ich durchaus noch von früher. Ins Wasser ging ich aber trotzdem nie, schliesslich bin ich kein Reptil. Wenn, dann surfe ich lieber im Internet. Einer unserer Gruppierung wollte sich nach einigen Wochen dann noch seinen Bart schneiden lassen. Dafür fuhr er über die halbe Insel, nur um dann zu merken, dass es Sonntag war. Als ihm sieben Tage später beim zweiten Versuch das Gleiche nochmals passierte, kaufte er sich am folgenden Montag direkt eine eigene Maschine. Zusammenfassend lässt es sich sagen, dass der Monat durchaus gelungen war. Einige der Nomaden werde ich etwas später in Kiev und Madrid wieder treffen. Auch sonst läuft die Kommunikation mit einigen der Teilnehmern beinahe nahtlos weiter. Für mich geht es nun weiter nach Zagreb, Ljubljana, München und Berlin. In Berlin hat sich - wie könnte es anders sein - ein mexikanischer Programmierer eingenistet, den ich ursprünglich in Budapest kennengelernt hatte. Dort kann ich mich kostenneutral niederlassen und mich voll auf das Startup-Ecosystem von Berlin fokussieren.
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Wer ich bin?Mein Name ist Andrin. Ich komme aus der Schweiz und stehe durchschnittlich zwei mal pro Jahrzehnt vor tektonischen Veränderungen in meinem Leben. |