28/11/2020 0 Comments Blog #18 - Tokyo Metropolis (東京都)Durch den Typhoon
Freunde, seid gegrüsst und hereinspaziert in meinen 18. Blog Post. Volljährig, könnte man sagen. Eine windige Geschichte wartet. Wie angekündigt präsentiere ich euch heute nämlich die Wetter-Kriegsberichterstattung aus Fukuoka. Mit Notizblock und zitternder Feder in der Hand verbarrikadierte ich mich also an jenem schicksalshaften Abend in meinem sündhaft günstigen (aber ungemein kuscheligen) Airbnb und erwartete die Ankunft des Super-Typhoons Haishen. Unter dem Türwinkel lauerte bereits der Sensenmann, welcher mich vermutlich gleich dahinraffen würde. Noch nie im Leben habe ich einen derart starken Sturm erlebt, ein bisschen Galgenhumor in der Not könnte da also nicht schaden. Um optimal auf die drohende Katastrophe vorbereitet zu sein, musste ich als richtiger Schweizer selbstverständlich genügend Klopapier auf Lager haben. Also ging ich hamstern. Stimmt nicht ganz, aber das bringt mich immerhin direkt zum nächsten Programmpunkt. Zwischen Komfort und Wahnsinn In ganz Japan stehen nämlich derart futuristische Toiletten, dass ich bis heute überzeugt bin, dass diese etwa im Jahr 2035 gebaut worden sein müssten. Ich kann euch sagen, das Toilettenpapier verkommt bei diesen Geräten beinahe nur noch zur Dekoration. Folgedessen müssen Kinder von gewieften Müttern bei solch modernen Toiletten auch keine Angst mehr haben, dass nach ausuferndem Klopapier-Verbrauch die Mama eines Tages das Klopapier wegrationalisiert und durch Zeitungspapier ersetzt. An dieser Stelle noch ein Gruss an die angesprochenen Familie. In einigen modernen Einkaufszentren springt der WC-Deckel bereits automatisch auf, bevor man das passende Kämmerchen überhaupt definitiv auserwählt hat. Erstmal drin, fängt der Zauber aber erst so richtig an. Die Anzahl an Knöpfen in den verschiedensten Grössen und Formen ist wahrhaftig amüsierend. Unter Zeitdruck kann sich das Amüsement aber durchaus in eine regelrechte Herausforderung wandeln. Survival-Japanisch Als Tourist merke man sich aber folgendes: 大 und 小 bedeutet beides „Spülung“. Zudem steht 女 für Frauen und 男 für Männer. Weitere Japanisch-Kenntnisse sind zwar lediglich fakultativ - aber durchaus nützlich. Zum Beispiel gibt es noch einen Knopf, um einen überaus explosiven Wurf mit etwas Musik oder einem Meer-Rauschen zu übertönen. Schwimmt das Würstchen dann im Wasser, so drücke man anschliessend den passenden Knopf um die papierlose Reinigung einzuleiten. Die Düse kommt nahezu lautlos zwischen den Beinen hervor geschwebt und reinigt bequem und lauwarm das, was wir im Westen noch mühsam mit Papier von Hand erledigen. Wer jetzt aber glaubt, japanische Toiletten haben folglich etwa fünf anstatt eines einzigen Knopfs - der sehe sich einmal mehr getäuscht. Es gibt ein Vielfaches davon. Die Beweisbilder habe ich natürlich mitgebracht. Ich verrate euch aber nicht, bei welchen Knöpfen es auch noch spritzt und zischt, denn dann könnt ihr bei nächsten Japan Urlaub gleich selbst das Toiletten-Roulette spielen. Nächtliche Überraschung Wo war ich nochmals? Genau, beim Monstersturm. Die Ankunft wurde in den frühen Morgenstunden erwartet. Also für mich etwa zur Schlafenszeit. Ab Mitternacht ging ich stündlich auf die nahegelegene Flussbrücke um die Drohkulisse am Himmel so richtig in mich aufzusaugen. Wind und Regen gab es zu diesem Zeitpunkt aber noch kaum. Das würde ein Wahnsinnsspektakel werden und unter Umständen könnte ich euch dann wieder mal eine richtig tolle Heldengeschichte auftischen. Den Titel hatte ich bereits niedergeschrieben: „Im Auge des Sturms“ und mit feurigem Untertitel ganz nach der Tora: „Auge um Auge, Zahnersatz um Zahnersatz“. Ich setzte die Feder in die Tinte. Als Mitten in der Nacht der Baum vor meinem Fenster das erste Mal einen Ast abwarf, nässte ich beinahe ins Bett. Doch, ich muss euch leider wirklich enttäuschen, viel mehr geschah an diesem Abend nicht. Der stärkste Typhoon des Jahres hatte sich kurz vor Fukuoka offensichtlich in die Harmlosigkeit hineinmutiert. Es gab kaum Regen und kaum Wind. Ich kam zur Einsicht, dass den Wetterbericht vermutlich ein Schamane aus Burkina-Faso gemacht haben muss. Sei es wie es will, letztlich bin ich natürlich froh, ist die Delfintherapie vertagt. Am nächsten Mittag herrschte bereits wieder strahlend blauer Himmel. Mein erster Erkundungsrundgang führte mich direkt dorthin wo die Ramen wohnen - in den obersten Stock des Canal Shopping Einkaufszentrum. Das Ramenstadion war wieder geöffnet und liess mich meine tägliche Ration abholen. Sayonara-Bye-Bye-Tour Zudem waren das meine finalen Tage in Fukuoka. Ich traf mich noch ein letztes Mal mit meinen japanischen Freunden in der Stadt und brachte diesen, sowie der Inhaberin und dem Studenten meines Lieblings Tonkatsu Restaurant, eine Schweizer Schokolade als Abschiedsgeschenk. Fukuoka ist eine tolle Stadt, mit tollen Menschen. Ich habe die Zeit hier wirklich geniessen können und hoffe eines Tages wieder zurückzukehren. Nach einer neuerlichen Visa-Verlängerung war es nun aber Zeit, für die letzten drei Monate auch noch Tokyo auszukundschaften. Einer der Japaner brachte mich noch bis zum Flughafen, dann flatterte ich mit der Peach Aviation ins hoch gelobte Tokyo. Direkt nach der etwas ruppigen Landung auf dem Narita Airport steuerte ich mein Airbnb im Stadtteil Shinjuku an. Ankunft in der Unterkunft Wie so oft lief der Check-in ins Airbnb ohne menschliche Interaktion. Alles war gut beschrieben und die Schlüssel an einem sicheren Ort hinterlegt. Als ich die Tür hinter mir schloss und den Koffer verstaute, liess ich mich leicht erschöpft auf das dunkle Ledersofa fallen. Ich checkte meine E-Mails und stellte mit erschrecken fest, dass ich von Airbnb eine Typhoon Warnung für Tokyo ins Postfach gestreut bekam. In zwei Tagen sollte dieser hier eintreffen. Wieder ein Typhoon?! Da lachen ja die Hühner! Und die Delfine. Meiner bescheidenen Meinung nach hat es für meine Verhältnisse unterdessen genügend gestürmt und geregnet in Japan. Dann plötzlich hörte ich es flattern. "Was war das?", fragte ich mich etwas verwundert. "Und wo kam das genau her?" Ich stellte fest; Bereits vor mir eingenistet hatte sich eine japanische Fledermaus - oder eine Taube. Auf jeden Fall war es ein Vogel. Ganz gewieft sass das Ding in einer rechtlichen Grauzone auf der anderen Seite des Küchenfensters - wahrscheinlich um mir erbarmungslos die vollen Mietkosten zu überlassen. "Drei Monate sind eine lange Zeit in einer Wohngemeinschaft", sprach ich zum Vogel. Gerade wenn man aus einem etwas gegensätzlichen Schlag kommt. Unterdessen kann ich euch sagen, ich hörte diese Federboa durchschnittlich etwa 12mal am Tag. Meist beim Anflug oder Abflug. Teilweise krähte sie auch etwas auf Japanisch, was ich mangels Kenntnisse selbstredend noch nicht verstand. Mit der Zeit aber fanden wir uns auch non-verbal. Jeden Morgen hoffte ich darauf, sie würde mir endlich mal ein Ei durchs Küchenfenster pfeffern, aber ausser ein paar alten Federn hat es noch nichts in meine Wohnung geschafft. Und auch der kleine Typhoon konnte die Boa nicht aus dem Nest schleudern, deshalb gehe ich stark davon aus, dass diese auch in meinem nächsten Bericht eine Nebenrolle einnehmen wird. Für mich war die Bahn nun aber frei um Tokyo zu erkunden. Was ich dort so erlebte, erzähle ich euch aber im nächsten Blogpost. In diesem Sinne - lange lebe Ramen!
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Wer ich bin?Mein Name ist Andrin. Ich komme aus der Schweiz und stehe durchschnittlich zwei mal pro Jahrzehnt vor tektonischen Veränderungen in meinem Leben. |