26/7/2023 2 Comments Blogpost #21 - Teufelszeugs!Lebenszeichen aus Thailand
Aus aktueller Brisanz melde ich mich mal wieder aus Südostasien, genauer gesagt aus Bangkok, Thailand. Ich hause derzeit in “The Parkland”, ganz im Süden der Mega-Metropole. Wie der Name schon erahnen lässt, muss es hier eine Parklandschaft geben. Die gibt es auch. Und mit ihr auch alles, was in der Wildnis kriecht, fliegt und taucht. Das Erste, was mir in dieser kleinen, grünen Oase über den Weg gekrochen kam, war eine riesige Schildkröte. Diese versperrte mir mit ihrem beeindruckenden Panzer ausgerechnet den kürzesten der drei möglichen Pfade zu meinem Hauseingang. Und wenn sich so eine Schildkröte mal auf den Weg macht, kann es ja bekanntlich durchaus dauern. Ein Glück waren meine chinesischen Freunde nicht in der Nähe, die hätten das Ding direkt in die Pfanne geworfen. Also kam ich ins Gespräch. Nicht mit der Kröte, aber mit der Frau auf der Parkbank unweit des Ort des Geschehens. Taschta, so stellte sie sich mit Namen vor, weilte seelenruhig mit einem Strauss Salat in der Hand auf einer Parkbank und wohnte ihrem Haustier beim täglichen Abendspaziergang bei. Auf den Salat hatte ich ehrlich gesagt ebenfalls wahnsinnig Lust, dieser hätte perfekt in meine Ayurveda Ernährung gepasst. Für eine Sekunde dachte ich noch, ob ich mich jetzt ebenfalls auf den Boden schmeissen sollte um dem thailändischen Panzer etwas Konkurrenz beim Fressen zu machen. Es wäre bestimmt ein Gaumenspass gewesen an diesem saftigen Grünzeug knabbern zu dürfen. Letztlich verzichtete ich aber darauf und entschied mich stattdessen mehr über die Geschichte hinter den Beiden zu erfahren. Dies scheiterte dann aber bereits in den ersten fünf Sekunden an der Sprachbarriere. Leider ist die Kommunikation sowohl mit der Schildkröte, wie auch mit Taschta, gelinde gesagt nicht einfach. In Thailand ist das Englisch-Niveau weiterhin erschreckend tief, ganz im Gegenteil zu den Philippinen, wo Englisch bereits in der Grundschule gelernt wird. Von dort kam ich übrigens gerade her. Also nicht von der Grundschule, aber von den Philippinen. Und wie so oft gibt es aus diesem fantastischen Land wieder eine Story zu berichten. Der TikTok Trend Ich versuche den Blog etwas kurz zu halten, da die Aufmerksamkeitsspanne von euch bekanntlich nicht sonderlich hoch ist. Ich habe mir dieses Mal eine Unterkunft ganz im Norden von Metro Manila ausgewählt, in Quezon City. In der Mitte vom Condo-Komplex hatte es einen grossen Erwachsenen-Pool sowie einen kleinen Kinder-Pool. In letzterem plantschten jeweils die Eltern mit ihren Plagen. Es stellte sich aber heraus, dass es nicht die Schalmaienklänge der Pool-Landschaft waren, welche sich später noch als problematisch herauskristallisieren würden, sondern ein Spielzeug mit dem unscheinbaren Namen Lato-Lato. Willkommen in den Philippinen. Warum das wichtig ist? Nun, das Lato-Lato Spielzeug besteht aus zwei tischtennisball-grossen Hartplastik-Kugeln, welche an einer Schnur baumeln. Mit etwas Geschick kann man diese in gleichem Rhythmus oben und unten aneinander knallen lassen. Wichtig sind hier die letzten beiden Worte: knallen lassen. Ich sage euch, das ist ohrenbetäubend. Was ebenfalls noch wichtig zu erwähnen wäre, es geht letztlich darum möglichst lange nicht aus dem Rhythmus zu fliegen. Es muss also durchgehend knallen. “It’s more fun in the Philippines” war der Slogan der Philippinischen Tourismusbehörde aus dem Jahr 2012. Dank dem grossen Erfolg wurde er im Jahr 2019 gleich nochmals auserwählt und erst im Juni 2023 durch “Love the Philippines” ersetzt. Bereits bei der ersten Erkundungstour in meinem neuen Habitat in Quezon City bin ich auf eine Gruppe Kinder mit diesen teuflischen Knallkugeln gestossen. Anfangs dachte ich noch, das seien Einzelfälle. Später vermutete ich stark, ich sei in einem sogenannten Problemviertel gelandet. Als ich dann in meinem eigenen Pool weitere Halbwüchsige mit diesem Knallzeugs antraf, hoffte ich noch darauf das diese bald von ihren Artgenossen aus der Pool-Landschaft weggemobbt werden würden. Auch ein paar Stunden später glaubte ich erschreckenderweise immer noch daran, dass dies ein sehr lokales Phänomen sein muss und sich die Plagen bald freiwillig vom Acker machen werden, sobald es eindunkelt. Erst als mir meine lokalen Kontakte erklärten, dass die Spielzeuge gerade der letzte Schrei im Lande seien und die Lato-Lato-Mania seit meinem letzten Besuch in den Philippinen vor einem Monate erst so richtig Fahrt aufgenommen hatte, wurde mir die Tragweite dieser zweifelhaften Erfindung so richtig bewusst. Ich wurde gerade Zeuge von einem neuen Trend. Chancen und Risiken Ich öffnete mein MacBook und fing an zu recherchieren. Die Suchanfragen für Lato-Lato auf “Google Trends” ist in Südostasien geradezu explodiert. Ich organisierte umgehend eine Videokonferenz mit meinen Startup-Freunden aus Europa. Gibt es hier möglicherweise eine Geschäftsmöglichkeit? Könnten wir das Teufelszeug vielleicht gar nach Europa exportieren? Wenn es bei den europäischen Kids ebenfalls derart viel Anklang finden würde, könnte die ganze Sache durchaus noch ein Happy End nehmen. Aber wir müssten rasend schnell sein, der Trend breitete sich gerade aus wie ein Virus und griff auf die Nachbarländer über. Dann eskalierte die Situation komplett. Es gab kaum noch Kinder auf der Strasse ohne Lato-Lato in der Hand. Der Lärm war bis in den 7. Stock zu hören - bei geschlossenem Fenster. Lato-Latos soweit das Auge reicht. Sonntagmorgen 07:00 Uhr, und du wirst von haarsträubendem Lato-Lato-Geknalle geweckt. Das Kernproblem dabei ist, bei zu wenig Schlaf und Ruhe sehe ich jeweils am Folgetag aus wie eine Wasserleiche. Dann wurde auch noch ein lokales Lato-Lato-Turnier organisiert. Wer wohl auf diese Idee kam, eine solche Hurra-Veranstaltung ausgerechnet in unserer Condo-Komplex zu organisieren? Als wäre das nicht genug, verbreiteten sich immer mehr Lato-Lato-Videos auf TikTok, welche die Welpen dazu ermutigten an möglichst ungewöhnlichen Orten, möglichst schräge und skurrile Aufnahmen zu erzeugen. Dann, am Wochenende, bekam auch ich noch mein erstes eigenes Lato-Lato von einem Freund geschenkt. Tolles Ding, muss man zugeben. Ich liess es direkt mal in meiner Wohnung krachen. Tut mir etwas leid für die Nachbarn, aber da müssen wir alle zusammen durch - wie beim letzten Virus. Am nächsten Tag dann “Breaking News” im TV. Die Gesundheitsbehörde der Philippinen hat gerade bekannt gegeben, dass der Verkauf von Lato-Latos verboten wurde. Und noch besser, es wird gerade eine Säuberungsaktion organisiert um sämtliche im Umlauf befindende Lato-Latos zu konfiszieren. Kein Witz. Stunden später tauchten erste Live-Aufnahmen im Fernseher auf, welche Behördenvertreter mit Megafon in den Gassen von Manila zeigten und die Kinder aufforderten aus ihren Zimmern zu kommen und ihre Lato-Latos auszuhändigen. Sie kamen in Massen, die Plagen. Brigaden-äquivalente von philippinischen Kindern kamen aus ihren Zimmern gekrochen, meistens zwar weinend, was etwas herzzerreissend anzusehen war, aber immerhin fand das Drama ein tolles Ende. Den Eltern auf den Aufnahmen war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Ein paar Tage später war das ganze Schauspiel vorbei. Die Zwerge hängen heute wieder wie gewohnt an den Smartphones und auch in meiner Pool-Landschaft ist die Friedensordnung zurückgekehrt. “It’s more fun in the Philippines”
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Fundgrube Internet
Gerade noch war ich in Mexiko City wohlgenährt und rundum glücklich. Doch dann entdeckte ich irgendwo in den Tiefen des Interwebs einen erstaunlich interessanten Aufruf. Einen ganzen Monat Kroatien in einem sogenannten “Makers House” oder auch “Hacker House”. Zusammen mit Gleichgesinnten. Und für Essen sei gesorgt. Nase läuft. Nach einem kurzen Videocall war die Sache für mich klar - da muss ich hin. Ein kurzes Adios Amigos meiner Bande zwiespältiger Scheibenputzern in Mexiko. Dann war ich weg. Wenig später landete ich im kroatischen Küstenstädtchen Split. Anfangs dachte ich noch, dass sei ein für Touristen aufgepepptes Fischerdorf. Als ich ankam stellte ich aber mit Erstaunen fest, dass hier fast 200’000 Menschen leben. Nun wurde es gerade um 10 digitale Nomaden reicher. Der Koch aus der Schweiz Der Satz “für das Essen sei gesorgt” stellte sich dann aber als nicht ganz korrekt heraus. Ein Koch hatten die Organisatoren dieser Mission nicht aufgeboten. Und das Haus lag weit abgelegen auf einer kleinen Insel. Glücklicherweise stand ich gerade noch mit meinem ehemaligen Mitlernenden (früher: Lehrling) aus meiner Kochausbildung (früher: Lehre) in Kontakt. Dieser fackelte nicht lange und machte sich - notabene mit dem Auto - ebenfalls auf den Weg nach Kroatien. Damals - noch in der Kochlehre - gab ihm unser Hotel-Patron den Spitznamen Dattelzwicker. Wieso? Das weiss ich bis heute nicht. Aber belassen wir es doch dabei. Das Auto - sofern es die Hinfahrt überleben sollte - plante der Dattelzwicker dann nach dem einmonatigen Aufenthalt gleich in Kroatien für ein paar hundert Euro zu verschachteln. Plot Twist: am Ende würde sich herausstellen, dass seine Büchse zu den mitunter hochwertigsten auf dem ganzen Inselreich gehören würde. Das Aufgebot der Nomaden Die Konklave der digitalen Nomaden eröffnete ganz unspektakulär ohne Pauken und Trompeten. Die Teilnehmer hatten es aber durchaus in sich. Anfangs dachte ich noch: kann kommen, was möchte. Was dann aber kam, überraschte mich doch. Mit dabei waren - und jetzt haltet eure Pferde: ein reinrassiger Spanier, eine Kolumbianerin mit brasilianischer Abstammung, aber in Spanien lebend, eine Britin mit Wurzeln in Griechenland, Afrika und einem Polo-Platz, ein italienisches Original direkt aus Sizilien importiert, nochmals eine Spanierin und eine Britin ohne festen Wohnsitz, zwei Schweizer Kühe sowie ein Asiate australischer Abstammung - oder umgekehrt. Mit letzterem sah ich mich bereits ein Ramen jagen. Es stellte sich dann aber heraus, dass seine Wurzeln in der Region Shanghai liegen. Mehr Fledermaussuppe als Ramen also. Aber selbst wenn er sich als Japaner vorgestellt hätte, auf dieser abgelegenen Insel würde sowieso kein japanisches Futter wachsen. Leerer Futtertrog Dann plötzlich ein erster Schock. Wie karg die Supermärkte auf dieser Insel sind, erfuhr ich von unserem Dattelzwicker direkt nach seiner ersten Shoppingtour im Niemandsland. Angeblich hatte es insgesamt genau vier Gemüsesorten zur Auswahl: Karotten, Zucchetti, Tomaten und Broccoli. Da wir zwei Mahlzeiten pro Tag serviert bekamen, schaffte es der Broccoli durchschnittlich alle 48 Stunden auf die Menukarte. Später mehr zur Broccoli-Vergiftung in Woche vier. Kreditkarten wurden auf dieser Insel ähnlich karg akzeptiert wie Kryptowährungen. Ansonsten konnten wir aber wirklich nicht klagen. Hatten wir doch einen Swimmingpool, einen Billardtisch, einen Tischtennistisch sowie eine Sauna zur Verfügung. Genau so divers wie die Herkünften aller Teilnehmer waren auch deren Tätigkeiten. Waren da doch tatsächlich ein halb-professioneller Online-Pokerspieler, mehrere Jungunternehmer resp. Jungunternehmerinnen, ein Data-Scientist, eine Yoga-Lehrerin, ein Dattelzwicker, und einige klassische Büroangestellte im entfernten Home-Office. Unser Dattelzwicker nutzte die Gelegenheit beim Schopf und polierte mit uns internationalen Nomaden sein Englisch auf. Mit der englischen Zahl drei “three” hatte er aber noch so seine liebe Mühe. Wann immer möglich versuchte er diese Zahl um alles in der Welt nicht benutzen zu müssen. Als wir eines Abends auf der Heimfahrt bei McDonalds zu dritt im Auto sassen, bestellte er folglich vier Cheeseburger. Nun wunderte es mich auch nicht mehr, wieso er immer mit vier Broccolis nach Hause gezottelt kam. Ich dagegen war gottenfroh mich Rund um die Uhr hinter meinem MacBook verstecken zu können und mich nicht mit den langweiligen Dingen des Lebens - z.B. dem Einkauf - herumschlagen zu müssen. Der Nachtigall Als Nachteule schlug meine Stunde sowieso zu später Stunde. Und die Chinesische Fledermaus war - wie könnte es anders sein - ebenfalls nachtaktiv. Daher verbrachten wir die Nächte programmierend, diskutierend oder philosophierend in einem der oberen Stöcke des Hause. Dieser hatte zwar den Charme eins Aufbahrungsraums, aber immerhin war das WiFi-Signal stark genug. Unter der Woche wurde gearbeitet wie Bienen. Da wurden Videocalls in alle Herren Länder geführt. Eine Teilnehmerin aber hatte eine Stimme höher als meine Schulnoten. Wir konnten von Glück reden war das Haus gross genug, um etwas Abstand zu nehmen. Ein geplatztes Trommelfell würde sich auf dieser abgelegenen Insel kaum zeitnah stopfen lassen. Am Wochenende versuchten sich die meisten Nomaden mit sogenannten Freizeitaktivitäten. Das kenne ich durchaus noch von früher. Ins Wasser ging ich aber trotzdem nie, schliesslich bin ich kein Reptil. Wenn, dann surfe ich lieber im Internet. Einer unserer Gruppierung wollte sich nach einigen Wochen dann noch seinen Bart schneiden lassen. Dafür fuhr er über die halbe Insel, nur um dann zu merken, dass es Sonntag war. Als ihm sieben Tage später beim zweiten Versuch das Gleiche nochmals passierte, kaufte er sich am folgenden Montag direkt eine eigene Maschine. Zusammenfassend lässt es sich sagen, dass der Monat durchaus gelungen war. Einige der Nomaden werde ich etwas später in Kiev und Madrid wieder treffen. Auch sonst läuft die Kommunikation mit einigen der Teilnehmern beinahe nahtlos weiter. Für mich geht es nun weiter nach Zagreb, Ljubljana, München und Berlin. In Berlin hat sich - wie könnte es anders sein - ein mexikanischer Programmierer eingenistet, den ich ursprünglich in Budapest kennengelernt hatte. Dort kann ich mich kostenneutral niederlassen und mich voll auf das Startup-Ecosystem von Berlin fokussieren. Royaler Empfang Zuerst vorweg: Mein Bild von Mexico bestand vor der Reise vereinfacht gesagt aus Kaktus, Esel und Avocado. Höchste Zeit also das wahre Mexiko kennenzulernen - dachte ich. Nach der unvergesslichen Zeit in Asien und einem etwas ausgedehnteren Boxenstopp in der Heimat, ergatterte ich im Sommer 2021 einen erstaunlich preiswerten KLM Flug von Zürich über Amsterdam nach Mexiko City. Als ich dann am niederländischen Schiphol Flughafen den Avocado-Bomber nach Lateinamerika betrat, passierte etwas Unglaubliches. Sämtliche Passagiere streckten der Cabin Crew wie üblich die Bordkarte entgegen, um dann in den richtigen Korridor eingewiesen zu werden. Doch dann, ausgerechnet bei mir, klatschte und jubelte ein männlicher Flight Attendant in einer Lautstärke, die ohne jegliches Übertreiben bis weit in die Holzklasse zu hören war. Etwas weniger Aufmerksamkeit - oder besser gesagt gar keine Aufmerksamkeit - wäre mir wirklich lieber gewesen. Bald würde er noch die Bengalen zünden - dachte ich. Als der junge Mann endlich vom Gejohle ablassen konnte, gratulierte er mir aber aufrichtig und durchaus fachkundig zum Sieg über die “Grand Nation” und deutete dabei mit seinem Zeigefinger auf den Schweizer Pass. Die Fussball-Nationalmannschaft hatte am Tag zuvor an der Europameisterschaft mit ihrem Sieg über Frankreich offensichtlich Wellen geschlagen. Ich nahm stellvertretend mal ein paar Lorbeeren entgegen. Immigrationsdschungel Dann ging es für mich ab durch die Schleusen der Mexikanischen Einreisekontrolle. Hier gab es aber alles andere als Applaus. Mein Leben wurde richtiggehend durchleuchtet und zwar von einer korpulenten, mexikanischen Dame. Das Aussergewöhnliche: Bei jeder Frage setzte sie meinen Vornamen davor. Andrin, was arbeitest du? Andrin, warst du letztes Jahr in der Volksrepublik China? Andrin, wo ist dein Wohnsitz? Als es mir zu bunt wurde, antwortete ich auf eine ihrer stechenden Fragen mit; “Andrin freut sich jetzt wahnsinnig darauf das aufregende Mexiko zu entdecken!” Das half enorm. Sie stempelte den Pass und liess mich springen. Der Drang nach mobilen Daten Danach kaufte ich mir direkt am Flughafen eine Sim-Karte. Die Verständigung mit dem Verkäufer war gelinde gesagt anspruchsvoll. Spanisch kam mir auch nach der Ankunft immer noch komplett Spanisch vor und dem Englischen war Juanito alles andere als mächtig. Mein einziges Ziel aber war es, einfach nicht schon in der ersten Stunde auf mexikanischem Boden über den Tisch gezogen zu werden. Nach einem freundlichen Hin und Her wollte Juanito 350 Pesos. Das kommt etwa hin - dachte ich. Er drückte mir die Quittung in die Hand und klärte mich in einer beinahe buddhistischen Ruhe über die einzelnen Positionen auf dem Beleg auf. Als ich wieder zurück auf der Erde war, sah ich aber nur noch die Zahlen 200 Pesos und 100 Pesos auf dem Zettel. Wohin ich die restlichen 50 Pesos gespendet hatte, weiss ich bis heute nicht. Die erste Taxifahrt Mit den neuen mobilen Daten auf meinem Smartphone orderte ich dann ein Uber-Taxi zur Unterkunft. Das Wetter war milde ausgedrückt grauenhaft. Als ich dem Mexikaner auf dem Fahrersitz verriet, dass ich aus der Schweiz bin - jubelte er. Also erntete ich weitere Lorbeeren. Bald würde ich diese gegen eine Avocado tauschen können. Dann endlich Ankunft in der Unterkunft. Unterdessen war es Nacht und es regnete immer noch aus allen Kanonen. Blitz und Donner schlugen direkt über mir ein. Bei solchem Wetter erheben sich in den Filmen normalerweise die Grabdeckel. Das Taxi hielt direkt vor einer Gittertür. Hier drinnen sollte dann also irgendwo meine Bleibe zu finden sein - dachte ich. Direkt seitlich neben der Tür lag ein ganzes Heer betrunkener und opiat-besetzer Obdachlose. Freunde der Nacht Nun, gemäss meinen lokalen mexikanischen Kontakten befindet sich die Unterkunft in einem Zitat “sicheren Stadtteil”. Dies habe ich vorgängig pflichtbewusst abklären lassen. Ich solle einfach nur nördlich, westlich und südlich laufen. Ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl also. Der Taxifahrer war so freundlich und wartete die ganzen fünf Minuten, bis mich der Vermieter meiner Unterkunft ins Gebäude liess. Nach dieser kleineren Odyssee liess ich mich anschliessend direkt ins mexikanische Bett kollabieren. Der Kontrast dann am nächsten Morgen hätte nicht grösser sein können. Als ich hinter derselben Gittertür einen Blick auf die Strasse erhaschte, dominierte Sonnenschein und blauer Himmel. Dort wo mich zuvor das Taxi beinahe den Haien verfütterte, stand ein klassischer mexikanischer Pickup Truck vor einer roten Ampel - welche durchaus auch respektiert wurde. Der Fahrer hatte seine avocado-grüne Kappe cool gegen hinten gerichtet und den Ellbogen ebenfalls cool auf dem offenen Fenster gelehnt. Aus dem Inneren donnerte fröhliche Latino Musik in einer ohrenbetäubenden Lautstärke. Jeder Kaktus am Strassenrand würde bei diesen Schallwellen sämtliche Stacheln verlieren. Zu meiner grossen Überraschung waren unterdessen alle Obdachlosen mit Seife und Wischer bewaffnet und reinigten für ein paar Pesos die Frontscheiben der Autofahrer, welche am Lichtsignal zum Stillstand gekommen waren. Meist zwar gegen deren Willen, aber das ist eine andere Geschichte. Erste Erkundungstour Dann wagte ich mich ein erstes Mal hinaus in die mexikanische Wildnis. Ich öffnete die grosse Gittertür, galoppierte unauffällig an den hart-schuftenden Scheibenputzern vorbei und drehte mich zur grossen Kreuzung gleich neben dem Burger Falter McDonalds. Direkt vor mir sicherte ein Polizei-Pickup Truck mit 5 schwer bewaffneten Polizisten den strategischen Verkehrsknotenpunkt in diesem Stadtteil - notabene stehend auf der Ladefläche. Nochmals so ein Wink mit dem Zaunpfahl. Also kontaktierte ich abermals meinen lokalen mexikanischen Kontakt. Mir wurde aber erneut bestätigt, dass mein Viertel zu den sicheren Orten in Mexico City gehört. Einzig die nächtlichen Schusswechsel können temporär mal etwas Schlaf rauben. Kleiner Scherz. Von ihm. Die Polizeiautos fahren sowieso immer mit Blaulicht. Die Sirene macht dann noch den Unterschied ob es ernst gilt oder nicht. Wochenendausflug Nestor, der mexikanische Programmierer, trommelte bereits am ersten Wochenende nach meiner Ankunft einige seiner Kollegen zusammen und organisierte einen Ausflug nach San Miguel. Die Stadt ist etwa vier Autostunden von Mexico City entfernt und bietet anscheinend sämtliche Klischees von Mexiko auf einem einzigen Haufen - also Kaktus, Esel und Avocado. Bereits in der ersten Stunde in San Miguel ass ich ein Esel, bestaunte einen Kaktus und dann spazierte mir auch noch eine Avocado entgegen. Oder andersrum. Aber fast so spektakulär wie das Städtchen selbst war die Fahrt dahin. Ein Kollege von Nes gabelte mich vor meinem Airbnb mit dem Auto auf. Noch bevor ich einsteigen konnte, wurde dessen Frontscheibe von einem meiner Obdachlosen eingeseift. Schaut man es aus diesem Blickwinkel an, ist meine Unterkunft hervorragende positioniert. Vor dem Eingang scheint sowas wie das Hauptquartier der Scheibenputzer zu sein. Wer auch immer mich mit dem Auto auflädt oder ablädt wird mit absoluter Sicherheit mit sauberer Frontscheibe wieder losfahren - ob er will oder nicht. Mexikanische Raubritter Heute pflege ich ich ein seltsam-zwiespältiges Verhältnis zu dieser Bande. Ihr Revier liegt offensichtlich direkt an meiner Unterkunft. Sie arbeiten von früh morgens bis weit nach Mitternacht. Ich gehe stark davon aus, dass sie sämtliche Personen genau kennen, welche regelmässig ihr Territorium durchkreuzen. Mich nennen sie “guerito” (blondie). Mit meiner hellen Haut falle ich auf wie ein bunter Hund. Meine Kollegen erzählten mir später, dass die Autoscheibenputzer eigentlich niemand wirklich brauche, trotzdem gehören sie heute zur Stadt dazu. Sie seien “bad boys” - keine Frage. Bereit alles zu tun. Aus diesem Grund bringe ich den mexikanischen Raubrittern beim Vorbeigehen immer mal wieder ein paar Burger oder ein Stück Pizza. Dies kann entweder als Geste der Barmherzigkeit oder aber als Tributzahlung angesehen werden. Der Löwe beisst doch nicht in die Hand, die ihn füttert. Oder etwa doch? Die Fahrt in den Norden Zurück zum Wochenendausflug: Am Stadtrand von Mexico City gabelten wir nochmals einen Mexikaner auf. Die Fahrt nach San Miguel war aufgrund der herrschenden Regenzeit nicht ganz einfach. Mehrfach setzte Starkregen ein und flutete ganze Strassenabschnitte. Dann plötzlich, bei vollem Tempo, ein Reifen mitten (!) auf der Autobahn. Ein kleines Ausweichmanöver war notwendig. Eine Reaktion der beiden Mexikaner blieb aber zu meinem Erstaunen aus. Also schlug ich vor, die Polizei zu informieren, da ein äusserst gefährliches Hindernis mitten auf der Fahrbahn lag. Mein Argument überzeugte nicht. Sie erklärten mir, dass Mexikaner wann immer möglich die Polizei nicht kontaktieren würden. Am späteren Nachmittag setzte erneut starker Regen ein. Wir drosselten das Tempo. Kurze Zeit später rückte ein verunfalltes Auto in unser Blickfeld. Sollen wir vielleicht diesmal die Polizei rufen? Fragte ich. “Der lebt noch”, sagte einer der beiden als wir etwas langsamer am Wrack vorbei fuhren. Als wir kurz vor San Miguel erneut an einen Unfall heranfuhren, warteten die beiden gespannt auf meine Reaktion. Ich schlug dann aber selbst vor, die Polizei nicht zu rufen. Die Unterkunft in San Miguel war gigantisch. Die Stimmung fantastisch. Hinter bunten Fassaden versteckten sich traumhafte mexikanische Restaurants, Cafés, Boutiquen und Kunstgalerien. Jahrhundertealte Bauten gaben der Stadt einen ganz speziellen Charakter. Überall wurde Live-Musik gespielt. Esel, Kaktus und Avocados kamen uns in Massen daher geritten. Der Mittag am Abend Die folgenden Wochen dann verbrachte ich hauptsächlich in Co-Working Büros. An einem Samstag lud mich Nes zu sich nach Hause ein. Auf seiner Terrasse liess es sich ebenfalls gut arbeiten. Seine Mutter und die hauseigene Köchin aus Guatemala waren ebenfalls anwesend. Pünktlich um 15.45 wurde das Mittagessen serviert. Rindfleisch, Reis, Gurken, Salat, Avocado und noch etwas Beilagen und Saucen. Dazu natürlich Tortillas. Es bedurfte zwar noch einer kurzen Nachfrage meinerseits, ob dies nun ein verspätetes Mittag- oder ein verfrühtes Nachtessen war. Die Haupt Mittagszeit hier ist 14:00 Uhr. Als ich letztens im McDonalds um 11:57 Uhr ein Big Mac wollte, klappte das nicht, da um diese Uhrzeit lediglich von der Frühstückskarte bestellt werden konnte. Tatort Taco-Stand Dafür sind aber zahlreiche Street-Food Stände rund um die Uhr geöffnet. Von einem Bekannten bekam ich einen geheimen Tipp, wo es besonders köstliche Tacos geben soll. Die Hygiene bei diesen Strassenverkäufern ist aber mitunter grenzwertig. Mir wurde gesagt, sollte ich mich effektiv für Street Food entscheiden, dann nur über einen Kontakt der seine Hand für diesen Stand ins Feuer legen könne. Also riskierte ich es. Als ich am Zielort ankam, hatten die Mexikaner hinter dem Stand besonders Freude an mir. Wieso wusste ich nicht. Vielleicht sahen sie den weissen Fressfeind bereits von Weitem daher geschlichen gekommen. Bei der Bestellung sprach ich sowas wie “uno”, deute auf einen Fleischhaufen und ergänzte mit “por favor”. Dies war zwar falsch, funktionierte aber einwandfrei. Als ich meine Ohren spitzte, hörte ich das die beiden Strassenköche zu einem Lied mit dem Refrain “Mi doctora favorita” tanzten und dabei meinen Taco mit Fleisch füllten. Ein Schelm wer Böses dabei denkt. Die Treppe des Grauens Wie ein kleiner Putzerfisch schlang ich dann aber sämtliches Essbares in mich hinein - und überlebte. Eine geplante Entwurmung am Folgetag wurde storniert. Am Tag danach ging ich dann aber wieder mal ein richtiges Ramen jagen. Lang lebe Ramen! Mein Co-Working Büro ist ganz in der Nähe eines ausgezeichneten japanischen Restaurants. Aber auch mein Co-Working Büro war ausgezeichnet, besass es doch eine Dachterrasse im sechsten Stock. Der Haken dabei: Rauf kam man nur über eine haarsträubend-wacklige Feuertreppe. Mehr als einen Esel und vielleicht noch einen Kaktus könnte diese definitiv nicht tragen. Heute kann ich sagen, dass ich trotzdem relativ oft von ganz oben arbeite. Dies obwohl meine innere Stimme mir sagte, dass wenn die Feuertreppe die Haupttreppe ist - dann fehlt eigentlich noch eine Feuertreppe für den Notfall. Nun, um diese Gedanken zu vertreiben summe ich beim Raufklettern jeweils “mi doctora favorita”. Mexikanischer Schreiberling Im dritten Stock zu Arbeiten hat nämlich ebenfalls einen klitzekleinen Haken. Am Gemeinschaftstisch sitzt in der Regel ein Typ, der könnte durchaus als Marderschreck Karriere machen. Aber weitaus schlimmer ist, dass sein Laptop bei jedem (!) Tastenanschlag einen kurzen Pfiff von sich gibt. Das muss man sich mal bildlich und vor allem akustisch vorstellen. Würde dieser wie meine Mutter mit beinahe 500 Anschlägen pro Minute in die Tastatur hämmern, das wäre nicht zum Aushalten. Das tut er aber nicht. Der Marderschreck schreibt nämlich nicht besonders gerne. Eigentlich wollte ich ihm diese gepfeife mal in den Computer-Einstellungen ausschalten, dann kam mir aber in den Sinn, dass ich dies auf Spanisch kaum hinkriegen würde. Also entschied ich mich die Kopfhörer anzuziehen und “Mi doctore favorita” laufen zu lassen. Nach einigen Wochen kann ich zusammenfassend also sagen, dass ich wunschlos glücklich bin in dieser Stadt. Ich geniesse die gute, fröhliche und äusserst sichere Stimmung hier. Das Essen ist top. Die Menschen sind überdurchschnittlich hilfsbereit. Und ich freue mich auch daran immer mit sauberen Frontscheiben herum chauffiert zu werden. 28/11/2020 0 Comments Blog #18 - Tokyo Metropolis (東京都)Durch den Typhoon
Freunde, seid gegrüsst und hereinspaziert in meinen 18. Blog Post. Volljährig, könnte man sagen. Eine windige Geschichte wartet. Wie angekündigt präsentiere ich euch heute nämlich die Wetter-Kriegsberichterstattung aus Fukuoka. Mit Notizblock und zitternder Feder in der Hand verbarrikadierte ich mich also an jenem schicksalshaften Abend in meinem sündhaft günstigen (aber ungemein kuscheligen) Airbnb und erwartete die Ankunft des Super-Typhoons Haishen. Unter dem Türwinkel lauerte bereits der Sensenmann, welcher mich vermutlich gleich dahinraffen würde. Noch nie im Leben habe ich einen derart starken Sturm erlebt, ein bisschen Galgenhumor in der Not könnte da also nicht schaden. Um optimal auf die drohende Katastrophe vorbereitet zu sein, musste ich als richtiger Schweizer selbstverständlich genügend Klopapier auf Lager haben. Also ging ich hamstern. Stimmt nicht ganz, aber das bringt mich immerhin direkt zum nächsten Programmpunkt. Zwischen Komfort und Wahnsinn In ganz Japan stehen nämlich derart futuristische Toiletten, dass ich bis heute überzeugt bin, dass diese etwa im Jahr 2035 gebaut worden sein müssten. Ich kann euch sagen, das Toilettenpapier verkommt bei diesen Geräten beinahe nur noch zur Dekoration. Folgedessen müssen Kinder von gewieften Müttern bei solch modernen Toiletten auch keine Angst mehr haben, dass nach ausuferndem Klopapier-Verbrauch die Mama eines Tages das Klopapier wegrationalisiert und durch Zeitungspapier ersetzt. An dieser Stelle noch ein Gruss an die angesprochenen Familie. In einigen modernen Einkaufszentren springt der WC-Deckel bereits automatisch auf, bevor man das passende Kämmerchen überhaupt definitiv auserwählt hat. Erstmal drin, fängt der Zauber aber erst so richtig an. Die Anzahl an Knöpfen in den verschiedensten Grössen und Formen ist wahrhaftig amüsierend. Unter Zeitdruck kann sich das Amüsement aber durchaus in eine regelrechte Herausforderung wandeln. Survival-Japanisch Als Tourist merke man sich aber folgendes: 大 und 小 bedeutet beides „Spülung“. Zudem steht 女 für Frauen und 男 für Männer. Weitere Japanisch-Kenntnisse sind zwar lediglich fakultativ - aber durchaus nützlich. Zum Beispiel gibt es noch einen Knopf, um einen überaus explosiven Wurf mit etwas Musik oder einem Meer-Rauschen zu übertönen. Schwimmt das Würstchen dann im Wasser, so drücke man anschliessend den passenden Knopf um die papierlose Reinigung einzuleiten. Die Düse kommt nahezu lautlos zwischen den Beinen hervor geschwebt und reinigt bequem und lauwarm das, was wir im Westen noch mühsam mit Papier von Hand erledigen. Wer jetzt aber glaubt, japanische Toiletten haben folglich etwa fünf anstatt eines einzigen Knopfs - der sehe sich einmal mehr getäuscht. Es gibt ein Vielfaches davon. Die Beweisbilder habe ich natürlich mitgebracht. Ich verrate euch aber nicht, bei welchen Knöpfen es auch noch spritzt und zischt, denn dann könnt ihr bei nächsten Japan Urlaub gleich selbst das Toiletten-Roulette spielen. Nächtliche Überraschung Wo war ich nochmals? Genau, beim Monstersturm. Die Ankunft wurde in den frühen Morgenstunden erwartet. Also für mich etwa zur Schlafenszeit. Ab Mitternacht ging ich stündlich auf die nahegelegene Flussbrücke um die Drohkulisse am Himmel so richtig in mich aufzusaugen. Wind und Regen gab es zu diesem Zeitpunkt aber noch kaum. Das würde ein Wahnsinnsspektakel werden und unter Umständen könnte ich euch dann wieder mal eine richtig tolle Heldengeschichte auftischen. Den Titel hatte ich bereits niedergeschrieben: „Im Auge des Sturms“ und mit feurigem Untertitel ganz nach der Tora: „Auge um Auge, Zahnersatz um Zahnersatz“. Ich setzte die Feder in die Tinte. Als Mitten in der Nacht der Baum vor meinem Fenster das erste Mal einen Ast abwarf, nässte ich beinahe ins Bett. Doch, ich muss euch leider wirklich enttäuschen, viel mehr geschah an diesem Abend nicht. Der stärkste Typhoon des Jahres hatte sich kurz vor Fukuoka offensichtlich in die Harmlosigkeit hineinmutiert. Es gab kaum Regen und kaum Wind. Ich kam zur Einsicht, dass den Wetterbericht vermutlich ein Schamane aus Burkina-Faso gemacht haben muss. Sei es wie es will, letztlich bin ich natürlich froh, ist die Delfintherapie vertagt. Am nächsten Mittag herrschte bereits wieder strahlend blauer Himmel. Mein erster Erkundungsrundgang führte mich direkt dorthin wo die Ramen wohnen - in den obersten Stock des Canal Shopping Einkaufszentrum. Das Ramenstadion war wieder geöffnet und liess mich meine tägliche Ration abholen. Sayonara-Bye-Bye-Tour Zudem waren das meine finalen Tage in Fukuoka. Ich traf mich noch ein letztes Mal mit meinen japanischen Freunden in der Stadt und brachte diesen, sowie der Inhaberin und dem Studenten meines Lieblings Tonkatsu Restaurant, eine Schweizer Schokolade als Abschiedsgeschenk. Fukuoka ist eine tolle Stadt, mit tollen Menschen. Ich habe die Zeit hier wirklich geniessen können und hoffe eines Tages wieder zurückzukehren. Nach einer neuerlichen Visa-Verlängerung war es nun aber Zeit, für die letzten drei Monate auch noch Tokyo auszukundschaften. Einer der Japaner brachte mich noch bis zum Flughafen, dann flatterte ich mit der Peach Aviation ins hoch gelobte Tokyo. Direkt nach der etwas ruppigen Landung auf dem Narita Airport steuerte ich mein Airbnb im Stadtteil Shinjuku an. Ankunft in der Unterkunft Wie so oft lief der Check-in ins Airbnb ohne menschliche Interaktion. Alles war gut beschrieben und die Schlüssel an einem sicheren Ort hinterlegt. Als ich die Tür hinter mir schloss und den Koffer verstaute, liess ich mich leicht erschöpft auf das dunkle Ledersofa fallen. Ich checkte meine E-Mails und stellte mit erschrecken fest, dass ich von Airbnb eine Typhoon Warnung für Tokyo ins Postfach gestreut bekam. In zwei Tagen sollte dieser hier eintreffen. Wieder ein Typhoon?! Da lachen ja die Hühner! Und die Delfine. Meiner bescheidenen Meinung nach hat es für meine Verhältnisse unterdessen genügend gestürmt und geregnet in Japan. Dann plötzlich hörte ich es flattern. "Was war das?", fragte ich mich etwas verwundert. "Und wo kam das genau her?" Ich stellte fest; Bereits vor mir eingenistet hatte sich eine japanische Fledermaus - oder eine Taube. Auf jeden Fall war es ein Vogel. Ganz gewieft sass das Ding in einer rechtlichen Grauzone auf der anderen Seite des Küchenfensters - wahrscheinlich um mir erbarmungslos die vollen Mietkosten zu überlassen. "Drei Monate sind eine lange Zeit in einer Wohngemeinschaft", sprach ich zum Vogel. Gerade wenn man aus einem etwas gegensätzlichen Schlag kommt. Unterdessen kann ich euch sagen, ich hörte diese Federboa durchschnittlich etwa 12mal am Tag. Meist beim Anflug oder Abflug. Teilweise krähte sie auch etwas auf Japanisch, was ich mangels Kenntnisse selbstredend noch nicht verstand. Mit der Zeit aber fanden wir uns auch non-verbal. Jeden Morgen hoffte ich darauf, sie würde mir endlich mal ein Ei durchs Küchenfenster pfeffern, aber ausser ein paar alten Federn hat es noch nichts in meine Wohnung geschafft. Und auch der kleine Typhoon konnte die Boa nicht aus dem Nest schleudern, deshalb gehe ich stark davon aus, dass diese auch in meinem nächsten Bericht eine Nebenrolle einnehmen wird. Für mich war die Bahn nun aber frei um Tokyo zu erkunden. Was ich dort so erlebte, erzähle ich euch aber im nächsten Blogpost. In diesem Sinne - lange lebe Ramen! 25/10/2020 0 Comments Blog #17 - Typhoon im AnflugFreunde, hier bin ich mal wieder mit der neuesten Hofberichtserstattung. Auch in Japans Politzirkus läuft nicht alles reibungslos.
Unter der Regierung von Shinzo Abe wurden charmanterweise sämtliche japanische Haushalte mit Masken beliefert. Dies kostete die Steuerzahler zwar etwa 26 Milliarden Yen oder umgerechnet 225 Millionen Schweizer Franken - doch immerhin waren nun alle Bürger versorgt. Der einzige Haken an dieser ganzen Aktion war aber, dass ausnahmslos alle meine japanischen Freunde die Masken direkt in den Abfalleimer befördert hatten. Auch in der Öffentlichkeit trägt sie, ausser Abe selbst, niemand. Die Masken sind nämlich derart klein, dass es kaum möglich ist die Nase und das Kinn gleichzeitig zu bedecken. In Anspielung auf das ebenfalls von Abe lancierte Konjunkturprogramm „Abenomics“ (Abe + Economics) nennen die Japaner diesen Beschaffungs-Skandal unterdessen nur noch „Abenomask“. Stören tut das Shinzo Abe allerdings kaum. Denn unmittelbar nach der Auslieferung sind die Infektionszahlen im ganzen Land tatsächlich drastisch gesunken. Abe war fest davon überzeugt, dass dies auf seine Massnahmen zurückzuführen ist - und plante die Bevölkerung umgehend mit einer zweite Lieferung Masken zu versorgen. Letztlich konnte ihn nur noch die Opposition davon abhalten. Ob „Abenomask“ oder „Abenomics“, Japans Parlament hat diesen Monat ‚Yoshihide Suga‘ zum neuen Regierungschef ernannt. Ihm wird zwar nachgesagt über wortwörtlich keinerlei Charisma zu verfügen - aber solange er seine Bevölkerung nicht mit hässlichen Masken beglückt, wird es die Mehrheit der Japaner nicht grossartig kümmern. Sündig wie die Nacht Dass die erzkonservative japanische Regierung und ihre Vorgänger in den letzten Jahrzehnten aber nicht alles falsch gemacht haben, erlebe ich tagein, tagaus auf den japanischen Strassen. Das subjektive Sicherheitsgefühl hier ist unglaublich hoch. Selbst zu später Stunde, an Wochenenden oder rund um die Bahnhöfe und Metro-Stationen herrscht internatsartige Zucht und Ordnung. Da findet man auch weit und breit keine Koksnase. Als bekennender Nachtfalter ist es nämlich durchaus möglich, dass ich vereinzelt auch unter Mondlicht noch auf Futtersuche bin und dabei die eine oder andere dunkle Gasse abseits der traditionellen Touristenpfade durchkämmen muss. Meist finde ich dann eine frittierte Beute mit etwas Reis oder Nudeln in einem der zahlreichen ‚24-Hour‘ Restaurants. Nachforschung im Sicherheitsapparat Täuscht dieses Sicherheitsgefühl oder ist Japan wirklich so sicher? Um diese Frage zu beantworten bin ich tief ins Archiv der Japanischen Sicherheitsbehörden eingetaucht und habe mir die Kriminalstatistiken von Japan herausgepickt. Der Vergleich mit der Schweiz und Deutschland ist doch erstaunlich: Japan 127 Millionen Einwohner Registrierte Straftaten in 2018: Total 817’000 Schweiz 8 Millionen Einwohner Registrierte Straftaten in 2019: Total 432’000 Deutschland 83 Millionen Einwohner Registrierte Straftaten in 2018: Total 5,5 Millionen In der Schweiz und Deutschland werden laut dieser Statistik etwa zehn Mal mehr Straftaten registriert als in Japan. Inwiefern diese Zahlen effektiv vergleichbar sind, kann ich nicht abschliessend beurteilen. Es bestätigt aber zumindest meine Wahrnehmung, dass hier eindeutig etwas weniger dieser zwielichtigen Gestalten in der Gegend herumgeistern. Ich bleibe an diesem Thema dran. Gottvertrauen Zusammen mit meinem Computer verbrachte ich letztens einen Nachmittag in einem sogenannten "Remote Work Café". Meist ist das eine Fusion zwischen einem Café-Restaurant und einer Co-Working Räumlichkeit mit schnellem Internet. Da keine Tische mehr frei waren, setzte sich ein Japaner mit seinem Gerät direkt neben mich. Noch bevor er mit der Arbeit begann, löste er seine dicke Golduhr vom Handgelenk und deponierte diese auf dem Tisch neben seinem Computer. Soweit nichts Spezielles. Noch keine Minute gesessen und kein Wort mit mir gewechselt, liess er das iPhone, sein MacBook sowie die Uhr unbeaufsichtigt auf dem Tisch und verschwand für eine Viertelstunde in einen Nebenraum. Offensichtlich ging er nicht davon aus, dass ich einen langen Finger haben könnte. Frisch aus der Gucci Boutique Weiter ist mir aufgefallen, dass viele Japaner ihr Geld bevorzugt in diesen länglichen Portemonnaies aufbewahren. Ein Grund dafür ist, dass die Banknoten dann nicht gefaltet werden müssen. Der weitaus wichtigere Aspekt ist vermutlich aber eher modischer Natur. Denn gerade die jüngeren Japaner mit männlichen Geschlechtsmerkmalen stecken ihre Gucci oder Hermès Portemonnaies noch so gerne in die hintere Hosentasche. Folglich glitzert dann beinahe die Hälfte des Geldbeutels aus der Hose heraus - aber das ist ja offensichtlich so gewollt. Was für mich ebenfalls wie eine Einladung für Langfinger aussieht, scheint hier in Japan selten zu Problemen zu führen. Der Regentanz Ein Leben hier könnte wirklich äusserst angenehm sein - wären da nicht diese ständigen Umweltkatastrophen. 300 km südöstlich von Tokyo treffen gleich drei tektonische Platten aufeinander. Dementsprechend oft und häufig vibriert hier die japanische Unterwelt - und die darüberliegende Betonwüste. Auch Tsunamis, Starkregen, Hitzewellen und Typhoons halten die Krisenstäbe dauerbeschäftigt. Es war einer dieser Tage, da brannte ich richtiggehend darauf, mich in meinem Fitnesscenter in Hakata auszuhecheln. Nach Stunden vor dem Computer - und mit mehreren Bechern Insta-Nudeln daneben - ist dies nämlich keine Qual, sondern ein Segen. Inspiriert von der neuen japanischen Box-Hoffnung ‚Naoya Inoue‘ schlug ich beinahe die Tür aus dem Rahmen, als ich das Haus verliess. Draussen war es warm und wolkenlos - zumindest soweit ich über die Häuserflanken hinaussehen konnte. Zielgerichtet und stramm wie ein Einheimischer marschierte ich dem kürzesten Weg nach durch unzählige Gassen. Auf ziemlich genau halbem Weg fing es völlig unerwartet zu tropfen an. Ich ahnte Böses und erhöhte den Laufschritt. Kurz vor einer Bahnunterführung brachen alle Dämme. Es war ein Platzregen wie eine Sintflut. Die Tropfen durchlöcherten beinahe mein sieben Jahre altes, schwarzes H&M T-Shirt. Ich rettete mich gerade noch so in die Unterführung. Ein spätsommerliches Gewitter Es sah nicht danach aus, als ob der Regen bald vorüberziehen würde. Zwei Damen vor mir hatten zwar einen Schirm, hofften vorerst aber ebenfalls auf eine rasche Wetterbesserung. Es donnerte. Über uns raste ein Shinkansen durch. Dann aber wagten sich die Damen hinaus in den Regen. Sayonara! Ein Junge auf einem alten Fahrrad durchquerte die Unterführung. Mit einer Hand hielt er den Lenker fest, mit der anderen den Schirm. Ich warf einen Blick aus der dunklen Unterführung hinaus in den Regen. Zwei Frauen in der Ferne schienen vom Regen ebenfalls überrascht worden zu sein. Sie überquerten die Strasse katzenhaft-rennend und ebenfalls ohne Schirm, verschwanden dann aber direkt in einem angrenzenden Wohnhaus. Erweckungsgottesdienst Unterdessen war der Himmel komplett bedeckt. Ich kam zur Einsicht, dass dies noch lange dauern könnte. Hier stand ich nun also - alleine und ohne Schirm - ich Nuss. Auf Google Maps suchte ich verzweifelt den nächsten 7-Eleven oder FamilyMart. Wäre dieser nahe genug, könne ich in vollem Galopp dorthin sprinten und mir einen günstigen Schirm kaufen. Oder ich könnte in einem nahegelegenen Ramen-Shop Unterschlupf finden. Lang lebe Ramen. Nase läuft. In Gedanken versunken sah ich im Augenwinkel ein Fahrrad auf mich zukommen. Zu meiner Überraschung hielt es unmittelbar vor mir an. Es war der Junge von zuvor. An seinem Lenker war ein zweiter Schirm angehängt, diesen streckte er mir wortlos entgegen. Ich konnte es kaum glauben. "Für mich?", frage ich überhastet. Er nickte mit dem Kopf. „Danke! Das ist unglaublich.” Bevor ich noch etwas anderes sagen konnte, war er bereits wieder weg. Warum ich Japan so mag? Das war die Antwort. In Erinnerung würde er mir noch lange bleiben. Der Junge mit dem Schirm. Aus dem Nichts aufgetaucht - und genauso schnell wieder verschwunden. Hätte ich in seiner Situation das gleiche getan? Ich weiss es nicht. Aber ich bin mir ziemlich sicher, seine Blutgruppe muss „O“ gewesen sein. Japanische Nachrichten Das Fitnesscenter erreichte ich dank dieser guten Japanischen Seele halb-trocken und nur feucht und nicht nass. Auf dem Fernseher an der Wand lief gerade der Wetterbericht. Lesen konnte ich die Meldungen zwar nicht, aber die Bilder sahen ungemütlich aus. Auf dem Bildschirm flimmerte die Grafik eines Typhoons - und dieser nahm direkten Kurs auf Fukuoka. Nach dem Vulkanausbruch in den Philippinen, den Fluchten aus Shenzhen, Manila und Osaka sowie der Überschwemmung in Kumamoto hat mir ein Typhoon dieses Jahr gerade noch gefehlt. Ich staunte nicht schlecht, als ich die Wetterprognose zuhause dann auch noch etwas detaillierter auf Englisch studierte und dort mit Erschrecken feststellen musste, dass innerhalb weniger Tage nicht ein Typhoon, sondern zwei Typhoons auf Fukuoka zu rasten. Während der erste Typhoon noch vergleichsweise harmlos dahergewirbelt kam, wurde wenige Tage später beim zweiten Typhoon die ganze Stadt in ein Koma versetzt. In einer beispiellosen Aktion wurde für die Hälfte der Stadt eine Evakuierungsempfehlung herausgegeben. Das sind etwa 770’000 Menschen - darunter auch mich. Für Fukuoka war dies der stärkste Typhoon seit Jahrzehnten. Weltuntergangsstimmung Die verantwortliche Person der Abteilung Katastrophenschutz und Krisenmanagement in der Stadt, sagte: "Ich erinnere mich nicht, dass ich jemals eine solche Empfehlung abgeben musste." Selbst außerhalb der direkt betroffenen Gebiete wurden Personen aufgefordert, in Notunterkünfte oder Häuser von Verwandten zu evakuieren. Bei solchen Vorhersagen flatterten mir direkt wieder die Hosen. Wenn das so weitergeht mit den diesjährigen apokalyptischen Abgründen, müsste ich mich bald mal in eine Delfintherapie begeben. Ab Mittag wurden Einkaufszentren, Restaurants und Geschäfte geschlossen. Später wurde der Metro-Verkehr für 24 Stunden eingestellt. In meinem Gemischtwarenladen um die Ecke war das Wasser ausverkauft und die Regale der Insta-Nudeln gehamstert. Regale im Plural. Fukuoka hatte 223 Notunterkünfte eröffnet, darunter Gemeindezentren und Grundschulen. Vorsichtshalber ging ich meine Notunterkunft besichtigen und fand zahlreiche Familien und ältere Menschen vor. Viele gebrechliche Personen in scheinbar biblischem Alter wurden von ihren erwachsenen Kindern dort in Sicherheit gebracht. Auch die Familie eines Freundes, welche nahe an der Küste in einem alten Haus wohnt, liess sich für zwei Tage in einem etwas baufesteren Hotel in der Stadt einquartieren. Wie die Nacht des Typhoons ausgegangen ist, schreibe ich euch aber im nächsten Blogpost. Bis dahin, denkt an den Schirm wenn ihr das Haus verlässt. Man kann sich nicht darauf verlassen, dass ein Japaner mit Bluttyp O angeradelt kommt. E-Mail Benachrichtigung bei neuem Blog-Post aktivieren? Hier klicken Airbnb Gutschein einlösen? Hier klicken Unterdessen sind einige Wochen in Fukuoka vergangen. Die Zeit der starken Unwetter hatte ich abwechselnd im „Startup Hub“ und zuhause in meinem trockenen Bau verbracht.
Als die Sonne nach mehreren Wochen endlich wieder mal hervorgekrochen kam, verschlug es mich direkt an den sehenswerten, weissen Sandstrand von Fukuoka. Gleich dort befindet sich nämlich der 234 Meter hohe „Fukuoka Tower“. Zum Vergleich notiere ich euch die Höhenangaben einiger Prachtbauten dieser Welt: 126 Meter - Prime Tower, Zürich 324 Meter - Eiffelturm, Paris 368 Meter - Fernsehturm, Berlin 634 Meter - Skytree, Tokyo Der 50 Millionen USD teure Bau wurde 1989 fertiggestellt und soll Erdbeben der Stärke 7 und Windgeschwindigkeiten von bis zu 233 km/h standhalten können. Das schwerste aufgezeichnete Erdbeben in der Region war eine glatte 6 auf der Richterskala und die höchste Windgeschwindigkeit wurde mit 180km/h registriert. Neue Freunde Unterdessen hatte ich bereits wieder einige neue Leute kennengelernt und schlenderte mit diesen regelmässig durch die japanischen Gassen. Aufgrund der kulturellen Unterschiede kann es durchaus sehr interessante und spezielle Gespräche geben. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Aber dann - eines Tages bei einem spätabendlichen Flussuferspaziergang - fragte mich doch tatsächlich ein Japaner, welche Blutgruppe ich hätte. Nun, ich mache mir ja traditionell viele Gedanken über das Leben, das Ableben und das Erleben. Aber eine solche Frage hatte ich mir auch in der Blütezeit meiner Findungsjahre nie gestellt. Blutige Sache Also recherchierte ich etwas im Internet und fand Folgendes: die Japaner sind teilweise ziemlich besessen mit Blutgruppen. Auch auf der Internetseite meines lokalen Fitnesscenters stellten sich die Mitarbeiter mit Namen, Hobbies, Lieblingstier und Blutgruppe vor. Hoch im Kurs stehen Blutgruppen angeblich auch bei Studenten während der Paarungszeit. Dabei geht es darum die andere Person besser kennenzulernen. Angeblich kann man sich beim Beschnuppern an folgender Liste orientieren: Blutgruppe: A - schlau, ordentlich, aber etwas langweilig B - etwas egoistisch, aber mit Führungsqualitäten O - etwas träge aber kommt mit Leuten gut aus AB - Genie! Leider weiss ich bis heute nicht, was für Blut durch meine Arterien und Venen zischt. Sollte meine Familie das wissen, bitte ich hiermit offiziell um Auskunft. Futtersilo Eine weitere nennenswerte Attraktion in Fukuoka ist übrigens das „Ramen-Stadium“. Zumindest ist es das für mich. Hier komme ich unkompliziert an meine 700 Yen Befriedigung. Das Stadion ist eine populäre Ansammlung von acht verschiedenen Ramen-Restaurants in der obersten Etage des bekanntesten Einkaufscenter in Fukuoka. Ich war gerade dabei mit einem Japaner einen Termin für ein Essen im Ramen-Stadion zu vereinbaren, da schrieb er mir doch glatt, dass er kurzfristig in das vom Unwetter getroffene Überschwemmungsgebiet Kumamoto gereist sei. Ich spitzte meine Ohren. Der Familie einer Freundin sei das ganze Haus geflutet worden. Nun sind sie am Aufräumen. Also fragte ich, ob ich ebenfalls helfen könne und fand mich bereits am nächsten Morgen um sechs Uhr in der Früh am Bahnhof Hakata wieder. Bahnhofsbummel Verzweifelt versuchte ich noch etwas Schweizer Schokolade aufzutreiben, fand aber lediglich irgendwelche Hakata-Muffins in einem gerade öffnenden Touristenladen. Mit dem Shinkansen raste ich 40 Minuten südwärts nach Kumamoto. Dort holte mich die Mutter der Kollegin meines Kollegen mit dem Auto ab. Nach weiteren 20 Minuten trafen wir bereits in der ehemals komplett überfluteten Region ein. Am Strassenrand stapelten sich tonnenweise Schwemmholz. Mittendrin Kühlschränke, Kleider und Spielzeuge. Die erste Brücke überquerten wir problemlos. Die zweite Brücke war eingestürzt. Wir waren gezwungen, mit dem Auto einen riesigen Umweg zu fahren, da die Ortschaft nicht mehr direkt angefahren werden konnte. Herzlicher Empfang Vor Ort bescherte man mir einen herzlichen Empfang. Es standen Getränke, Snacks und gespendete Kleider zur Verfügung. Ich zog einen wasserfesten Arbeitsanzug an. Der Schlamm war teilweise meterhoch und hatte buchstäblich ganze Autos gefüllt. Die Liegenschaft gehörte ursprünglich Yatsushiro, einem etwa 80-jährigen Japaner. Der Mann besass eine Tankstelle, eine Autowerkstatt und ein Wohnhaus. Sein Lebenswerk und seine Existenz hatte er an diesem Tag verloren. Auch am Abend der Überschwemmung arbeitete er noch bis 18:00 Uhr in der Werkstatt. Um Mitternacht stand das komplette Erdgeschoss unter Wasser. Um 01:00 Uhr wurden die ersten Personen in direkter Nachbarschaft per Hubschrauber gerettet. Um 04:00 Uhr wurden auch er und seine Frau per Seilwinde vom japanischen Militär gerettet. Knochenjob Unsere Aufgabe war es, die kleinen Tanklastwagen, welche nicht weggespült wurden, vom Schlamm zu befreien. Dabei hatten wir ein paar Schaufeln, die Hände und zwei Hochdruckreiniger zur Verfügung. Im Haus nebenan halfen grössere Gruppen professioneller Freiwilliger mit nummerierten Armbänder Schlamm und Schutt aus den Häusern zu bringen. Am späteren Nachmittag kamen diese dann auch uns zur Hilfe. Die Frau von Yatsushiro und ein paar ihrer Freundinnen kochten am Mittag ein traditionelles japanisches Curry mit Reis. Nase läuft. Ich überreichte dem Ehepaar das kleine Geschenk aus Hakata und nutzte diese Gelegenheit ihnen zahlreiche Fragen zu stellen. Mein Kollege übersetze die Gespräche zwischen mir und den restlichen Japanern, welche allesamt kein Englisch sprachen. Dann fing er zu erzählen an... Sein Sohn hatte er bereits früh und unerwartet auf Grund einer Krankheit verloren. Von der Diagnose bis zum Tod verging weniger als ein Monat. Sein ganzes Leben hat Yatsushiro in Kumamoto verbracht und hier eine Existenz aufgebaut - bis zu diesem schicksalshaften Tag. Seine Tankstelle stand buchstäblich bis zum Dach unter Wasser. Auch die Werkstatt wurde voll getroffen. Das Wohnhaus ist heute unbewohnbar. Die Schäden, so wurde mir übersetzt, seien kaum von der Versicherung gedeckt. Während den Aufräumarbeiten fanden wir noch zwei eingerahmte Familienfotos im Schlamm. Unvergessen ist der Moment, als Yatsushiros Frau einige Minuten später schüchtern von hinten angeschlichen kam, um mir die vom Schlamm befreiten Fotos zu zeigen. Sie zeigte auf einen jungen Japaner auf dem Foto. Dann drehte sie sich um und deutete auf Yatsushiro. Bei diesem Bild war das Glas des Bilderrahmens gebrochen. Den Optimismus hatten Yatsushiro und seine Frau trotz allem nicht verloren. In drei bis sechs Monaten sei alles wieder bereit, gab er sich optimistisch. Ausser dem Wohnhaus. Naturquelle Am Abend fuhr man uns direkt zu einem Onsen - einem japanischen Badehaus mit Naturquelle. Die Sitze im Auto waren mit zahlreichen Plastiksäcken und grossen Folien abgedeckt. So würden sie das jeden Tag nach den Aufräumarbeiten machen, sagte man mir. Frisch geduscht und trocken wie ein gebackener Kuchen trafen wir uns am späten Nachmittag auf Tee und Kaffee in einem Wohnhaus von Freunden der Familie. Dort sind nun Yatsushiro, seine Ehefrau und einige Helfer temporär untergebracht. Die Stimmung war locker und fröhlich. Es gab undefinierbares Essen und noch nie gesehene Getränke. Es wurde viel gesprochen und gelacht. Der Abschied war dann aber sehr emotional. Yatsushiro und seine Frau begleiteten mich bis zur Tür und verbeugten sich tief und lange. Dann nahmen sie einen Schritt auf mich zu, um mir die Hand zu reichen. Etwas, was in der japanischen Kultur eigentlich nicht üblich ist. Sie schüttelten mir die Hand lange und hielten sie mit beiden Händen fest. Dann sagte Yatsushiro auf Englisch „Thank you. Thank you for your help!“ Die Wertschätzung von ihm und auch den Helfern war überwältigend. Mein Freund und eine Freundin von ihm kamen anschliessend mit mir zurück nach Fukuoka. Jemand aus Yatsushiros Familie hat uns ein paar Tausend Yen mit auf den Weg gegeben, man solle mich zu einem feierlichen „Yakiniku“ einladen - japanisches Barbeque. An diesem Abend wäre eigentlich - wie so oft - ein klassisches japanisches Ramen im Ramen-Stadion geplant gewesen. E-Mail Benachrichtigung bei neuem Blog-Post aktivieren? Hier klicken Airbnb Gutschein einlösen? Hier klicken 30/8/2020 2 Comments Blog #15 - die reise nach fukuokaFreunde des zweifelhaften Humors, hier bin ich mal wieder! Ihr könnt beruhigt sein, die Tiere in Kyoto haben mich seit den letzten dramatischen Vorfällen grösstenteils in Frieden gelassen. Totgeweihte leben eben doch etwas länger.
Aber - und nun kommt es - weiteres Unheil braute sich bereits am Himmel zusammen. Dazu aber später mehr. Es waren meine letzten Tage in Kyoto. In den Tiefen des Internets entnahm ich, dass es eine Stadt weit im Süden der japanischen Insel geben würde, welche gerade dabei war sich als neues Mekka für Jungunternehmen (Startups) zu etablieren. Also fackelte ich nicht lange. Dort musste ich hin. Die Gret(a)chenfrage war lediglich, soll ich die Strecke mit dem Flugzeug oder der Bahn zurücklegen? Ab in den Süden Ich entschied mich für *Trommelwirbel* den Shinkansen. Genauer gesagt für den „Nozomi-Superexpress“. Ein Geschoss von einem Zug. Wer jetzt gerade kein Bild im Kopf hat wie die Dinger aussehen, das sind diese Züge mit der ultra-langen Nase. Beim neuen Super-Shinkansen ist die Nase sogar sage und schreibe 22 Meter lang und jagt mit über 400 km / h über die Schienen. Zudem soll noch in diesem Jahrzehnt eine neue Magnetschwebebahn kommen. Im April 2015 fuhr ein Versuchszug 603 km/h. Zum Vergleich, die SBB in der Schweiz fährt auf ihrem schnellsten Streckenabschnitt mit 200 km / h. Keine Frage, die Japaner sind stolz auf ihren Shinkansen. Unter anderem auch wegen der Pünktlichkeit. Diese wird hier nämlich nicht in Minuten, sondern in Sekunden gemessen. Allerdings - das muss man fairerweise auch noch sagen - werden Verspätungen wegen Wetter oder anderen unvorhersehbaren Ereignissen in der Statistik nicht als solche aufgeführt. Dies wird bei uns in der Schweiz anders gehandhabt. Weit wichtiger als die Pünktlichkeit und die Geschwindigkeit ist allerdings die Sicherheit. Aber auch hier wird bei den Japanern auf anderem Niveau gearbeitet. Seit der Inbetriebnahme im Jahre 1964 bis heute ist es zu keinem einzigen Unfall mit Todesopfer gekommen. Allerdings, im Herbst 2014 entgleiste bei einem Erdbeben der Stärke 6,8 das erste Mal ein Zug - ohne Verletzte. Die Züge sind nämlich mit einem Erdbebenfrühwarnsystem ausgestattet. Wenn ein Erdbeben registriert wird, schaltet sich automatisch der Strom ab und der Shinkansen leitet eine Notbremsung ein. Die neuste Generation der Züge soll dann mit Luftbremsen auf dem Dach und mit Magnetplatten in der Nähe der Schienen die Vollbremsung noch zusätzlich unterstützten. Freunde, wir müssen uns warm anziehen. Die Asiaten sind bereit für die Zukunft. Nicht heute! Doch noch bevor ich mich auf die Reise in die Stadt begab, welche an genau dieser Zukunft arbeitet, stelle ich erschrocken fest, dass sich bereits wieder ein Vogelnest auf meinem Kopf gebildet hatte. Also suchte ich mal wieder einen Friseur. Yasutoshi Nishimura, Japans Minister für wirtschaftliche Wiederbelebung (diesen Posten gibt es hier wirklich) würde wahrlich Freude an mir haben, unterstütze ich als einer der einzigen verbleibenden Ausländer doch regelmässig das gebeutelte Kleingewerbe. An einer Strassenecke im zweiten Obergeschoss eines alten Hauses sah ich durch die Fenster hindurch etwas, was nach einem Friseursalon aussehen könnte. Sicher war ich mir nicht, aber ein Versuch war es wert. Ich tappte die Treppe hoch und betrat die grosszügige Räumlichkeit. Im Inneren herrschte reges Treiben. Etwa zehn Kunden waren bereits auf den Stühlen platziert. Es folgte die übliche Verwirrung. Wer wagt sich, den Amerikaner anzusprechen? Irgendjemand? Keiner? In Gebärdensprache wurde ich dann von einem mutigen Angestellten in eine Warteecke getrieben. Nach zehn Minuten schaute man, ob ich noch nicht freiwillig wieder gegangen bin. Nach weiteren 5 Minuten näherte sich mir ein überdurchschnittlich schüchterner Angestellter. Auf seinem Smartphone war bereits die Übersetzungsapp geöffnet. Very sorry! Dort stand: „I am really sorry. You have Corona!“ Ha! Dachte ich. Kleiner Übersetzungsfehler. Doch auch die restlichen Übersetzungsversuche schossen alle in etwa die gleiche Richtung. Die Story war wie folgt: Während der Fledermauskrise waren sie von ihrem Chef angehalten worden keine ausländischen Kunden anzunehmen. Dem Mitarbeiter war es aber derart peinlich, dass er mich bis hinunter und hinaus auf die Strasse rausbegleitete und sich insgesamt über 15 Mal vor mir verbeugte. Er tat mir wirklich etwas leid. Natürlich liess ich ihn wissen, dass es überhaupt kein Problem für mich sei. Ich werde es einfach an einem anderen Ort versuchen. Fünf Minuten später fand ich eine sehr alt-eingesessene Coiffeuse in einer verwinkelten Nebenstrasse. Die alte Forelle schnippelte aber immer noch wie zu besten Zeiten. Erst zuhause vor dem Spiegel stellte ich etwas erstaunt fest, dass sie hinter meinem linken Ohr noch ein ganzes Büschel Haar vergessen hatte. Auf nach Fukuoka Frisch gestrählt und gebügelt machte ich mich dann auf zum Bahnhof Kyoto. Dann raste ich mit über 300 km/h südwärts in eine Stadt mit dem poetischen Namen Fukuoka-Shi. Die Stadt war ursprünglich durch einen Fluss geteilt. Auf der einen Seite befand sich die Handelsstadt „Hakata“. Auf der anderen: Fukuoka. Letztere wurde von Samurais regiert. Erst 1889 wurden die beide Städte fusioniert. Einer Legende nach hörte eine Gruppe von Samurais, dass die Abstimmung über den neuen Namen der Stadt verloren gehen wird und ihre Stadt somit in Hakata umgetauft werden würde. Also stürmten die Krieger kurzerhand die Sitzung. Heute heisst die Stadt Fukuoka. Was lernt man daraus? Reden ist immer eine Lösung. Allerdings heisst sowohl der Bahnhof als auch der Hafen weiterhin Hakata Station und Hakata Port. Nachdem ich mich nach der rasanten Fahrt in einem neuen Airbnb in Hakata eingenistet hatte, machte ich mich auf eine erste Erkundungstour. Zumindest wäre das der Plan gewesen. Man erinnere sich: Einmal die Strasse hoch und dann wieder die Strasse runter. Doch an Vaters Rat war diesmal nicht zu denken. Es regnete wie aus Eimern. Es regnete sprichwörtlich Katzen und Flughunde. Und es regnete ausnahmslos jeden Tag - sintflutartig - und das den ganzen Tag. Nach etwa einer Woche hatte ich wieder ein Rhythmus. Und auch der neue Startup Hub erfüllte die Erwartungen. Mir wurde alles erklärt und gezeigt. Nach weniger als einer halben Stunde hatte ich bereits ein Termin für einen Pitch bei einem Investor. Insgesamt präsentierte ich mein Startup drei Mal. Wertvolle Erfahrungen vor internationalen Investoren. Die verrückte Japanerin Dann eines Abends auf dem Nachhauseweg rollte ich am Hakata Bahnhof die lange Rolltreppe hinauf. Da es Rush-Hour war, wimmelte es nur so von Menschen. Tausende Japaner in perfekt geschnittenen Anzügen strömten auf die verschiedenen Busse, Züge oder Metros. Und ich? Ich war vermutlich der einzige Weisse auf dem ganzen Bahnhofsgelände. Gerade als ich oben ankam, rannte eine junge, hübsche Japanerin direkt auf mich zu. Ihr engelartiges Antlitz hätte euch alle in den Wahnsinn getrieben. Aufgeregt fragte sie, ob ich Japanisch spreche. Ein kleines bisschen - antwortete ich. Sie wolle mit mir ein Foto machen. Nun, dachte ich, ist doch kein Problem. Allerdings plante sie das Foto nicht gleich vor Ort zu machen. „I am crazy Japanese!“ sagte sie. „very crazy“. Das hat mir gerade noch gefehlt hier. Der Foto-Automat war nämlich nicht im Bahnhofsgebäude, sondern einen kleinen Fussmarsch davon entfernt - erzählte sie mir. Ob das nicht eine dieser Touristenfallen war? Bei apokalyptisch starkem Regen rannten wir in Richtung eines 10-stöckigen Elektronikmarktes. Dann ging alles plötzlich schnell. Sie warf Geld in den Automaten, zog den Vorhang zu…und… plötzlich hatte ich Katzen-Ohren, übergrosse runde Augen oder rote Backen. Sie hatte sich vor Aufregung unterdessen komplett verloren. Völlig ausser sich war sie. Immer wieder schrie sie „Kawaii! Kawaii!“ (süss!! Süss!!). Was daran genau süss war, ist mir zwar bis heute ein Rätsel, aber Spass hatte es allemal gemacht. Es gab in den letzten Monaten unzählige Situationen, in der eine gewisse Faszination für weisse Haut direkt oder indirekt deutlich zu spüren war. Letztens zum Beispiel war ich mit einem Japaner in einem trendigen Burgerladen essen. Die junge Dame im Service fragte meinen Kollegen dann ganz direkt, wie man hier weisse Freunde finden kann. Panierte Schnitzel Eine andere Geschichte spielte sich in meinem absoluten Liebling- Tonkatsu-Restaurant ab. Dort servierte eine quirlige 65-Jährige Japanerin seit über 40 Jahren (!) panierte Mega-Jumbo Schnitzel zu atemberaubenden günstigen Preisen. Der Laden hat schon so manche bekannten japanischen Gesichter und sogar japanische TV-Crews angezogen. Die Inhaberin selbst spricht zwar nahezu unverständliches Englisch, aber sie hat derart viel Selbstvertrauen, dass es ihr absolut nichts ausmacht auch nach fünf Versuchen noch nicht aufzugeben. Ganz anders der 20-jährige Student, welcher zwischen Küche und Service mithilft. Sein in der Schule erlerntes Englisch hatte er vermutlich noch überhaupt nie in seinem Leben anwenden müssen. Und er wäre auch froh gewesen, wäre es nie so weit gekommen. Die Inhaberin empfand meine Anwesenheit als einmalige Gelegenheit und einen absoluten Glücksfall - für ihn. Sie erzählte mir noch stolz, dass der Junge im Gegensatz zu ihr selbst nämlich sehr gut Englisch spricht - weil in der Schule gelernt! „Ha!“, dachte ich. Man sollte den Tag nie vor dem Abend loben. In meiner Familie gibt es auch einige Kandidaten, welche nach 5 Jahren Französisch Unterricht lediglich die drei Wörter „Hallo, Katze und Tisch“ sagen können. An dieser Stelle ein Gruss an die beiden Angesprochenen. Voller Aufregung und auch voller Vorfreude rief die Inhaberin den Namen des Studenten durch das Restaurant hindurch. Der Student dagegen stellte sich taub - oder tot. Also ging sie ihn holen. Dieser schlängelte sich aber sogleich ab in die Küche. Durch das Servicefenster sah ich eine längere Diskussion vonstattengehen. Weil diese offensichtlich nicht fruchtete, schob sie den Studenten kurzerhand mit beiden Händen zurück ins Restaurant. Die Situation erinnerte mich etwas an einen Hund, der gerade realisierte, dass die Reise wohl zum Tierarzt führen würde. Immer wieder versuchte er sich abzuwenden - vergeblich. Letztlich packte sie ihn kurzerhand am T-Shirt Kragen und zog ihn bis zu meinem Tisch im hinteren Teil des Restaurants. Dort drehte sie ihn noch demonstrativ in passende Position, klopfte ihm zweimal auf den Rücken und sagte: „Jetzt sprich!“. Der Unterhaltungswert für alle Gäste im Restaurant war hier bereits am überkochen. Ich versuchte es dem Student so einfach wie möglich zu machen und warf ein paar simple Fragen in den Raum: Name, Alter, Hobbies. Natürlich lobte ich ihn am Schluss noch überschwänglich für seine tolle Aussprache, sodass er mit erhobenem Haupt zurück zur Chefin konnte. Die Erleichterung war im buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Man glaubt es kaum, aber heute - einen Monate später - ist er jeweils der Erste der aus der Küche gerannt kommt, wenn ich das Restaurant betrete. Man könnte fast glauben ich sei sein Lieblingsgast. Er kommt vor, während und nach dem Essen freiwillig an meinen Tisch. Er macht gar Witze mit mir und ist wohl auch ein kleines bisschen stolz, wenn er vor der Chefin, den anderen Mitarbeitern und den Gästen mit mir Englisch sprechen kann. Eine berührende Geschichte mit erstaunlicher Wendung. Weltuntergangsstimmung Allerdings gibt es auch eine traurige Geschichte zu berichten. Die dunkeln Wolken über Fukuoka zogen nicht ab. Es regnete wochenlang ohne Unterbruch. Das hatte dramatische Konsequenzen. In der Region wurde die allerhöchste Unwetter-Alarmstufe ausgerufen. Als ich eines Abends aus dem Fukuoka Startup Hub mit der Metro nach Hause fahren wollte, waren Teile des Metro- und Bahnverkehrs eingestellt. Direkt daneben wurde ein Notfall-Zentrum errichtet. Hunderttausende Bewohner in der Region versuchten sich vor den Regenfällen in andere Teile des Landes in Sicherheit zu bringen. Ausländern wurde geraten die Region zu verlassen. Während die Stadt Fukuoka selbst glimpflich davonkam, forderten massive Überschwemmungen in der Nachbarspräfektur Kumamoto 67 Tote. Noch heute leben 1470 Menschen in Notunterkünften. Über 5000 Häuser wurden beschädigt. Gemäss japanischen Medienberichten fielen bis zu 100 Millimeter Regen pro Stunde. In der Schweiz werden 30 Millimeter Regen pro Stunde bereits als Starkregen bezeichnet. Wie es in Fukuoka, Hakata und Kumamoto heute aussieht, zeige ich euch etwas ausführlicher im nächsten Blog-Post. E-Mail Benachrichtigung bei neuem Blog-Post aktivieren? Hier klicken Airbnb Gutschein einlösen? Hier klicken Freunde, heute wird es tierisch. Aber bevor jetzt meine pensionierten Leser vor den Windows-Browsern überhastet nach der Maske greifen und panisch das Anti-Virus Programm durch den Blog rattern lassen… nein, gemeint sind nicht Käfer oder Viren, sondern Affen, Rehe und eine fiese, verirrte Schlange. Gerade letzteres hat mir einen zünftigen Schrecken eingejagt. Es geschah mitten in der Corona-Hochsaison. Tatort: Tempelberg. Die Natur war augenscheinlich gerade dabei die Zivilisation in Kyoto zurückzuerobern, während ich dagegen mit dem Gedanken spielte mich an der frischen Luft etwas auszutoben. Das birgt ungeahntes Konfliktpotenzial. Unser Airbnb lag nur gerade einen Pferdesprung entfernt von einer der populärsten Touristenattraktionen Japans überhaupt: Fushimi Inari-Taisha. Ein sagenumwobener Ort. Bekannt ist die Tempelanlage vor allem für ihre tausenden, giftroten Tore aus Holz. Diese markieren die Grenze zwischen dem Proofanen und Sakralen. Oder anders ausgedrückt - zwischen dem Unheiligen und dem Göttlichen. Wo sich normalerweise Touristen aus aller Welt die Klinke in die Hand geben, herrscht in diesen Fledermaus-Zeiten gähnende Leere. Der Haupttempel wurde direkt an den Hang des Berges „Inari“ gebaut. Eine handvoll idyllischer Wanderwege führt von verschiedenen Seiten her direkt durch den Wald hinauf zur mythischen Spitze (233 m ü. M.). Alle diese Trampelpfade wären zwar zu normalen Zeiten gelinde gesagt eine Spur belebter - aber man muss die Feste feiern wie sie kommen. Also erachtete ich es als eine weise Idee den Berg bei dieser einmaligen Gelegenheit nicht spazierend sondern gleich trabend zu erkunden. Schlange Kaa Gesagt, getan! Unmittelbar nachdem mir dieser Geistesblitz durch die Schädeldecke gestochen ist, habe ich auch ohne nur mit der Wimper zu zucken direkt die Jogginghose aus meinem Koffer gekapert, die Laufschuhe um meine Flossen gebunden und bin in frivoler Leichtigkeit den heiligen Treppen nach bergaufwärts den Wald hinauf getänzelt. Bis, ich kann es nicht anders sagen, eine seelenlose Gestalt direkt vor mir aus dem Gebüsch geschlängelt kam - und mitten auf dem Pfad in eine aggressiv-fiese Totenstarre verfiel. Hals über Kopf machte ich eine Vollbremse. Mein Puls brannte durch. Donner, Blitz, rotes Tuch, National Geographic, Steve Irwin, Annemarie, Ableben - verschiedenste Gedanken schwirrten panisch in meinem Spatzenhirn herum. Ich meine, das Ding hatte den Durchmesser einer Bratwurst. Auf die leichte Schulter konnte ich es auf jeden Fall nicht nehmen. Ich fasste mir an den Hals. Ok, Puls ist noch da. Krisensitzung - Klappe die Dritte. Das Ding schien mich jeden Moment anzuspringen. Ich wollte gerade einen riesigen Satz rückwärts machen, da viel mir auf: Das Viech hatte nicht mal eine Maske an - how dare you?! Die Fledermaus wird dich gewiss noch schnappen - dachte ich. Dann holte mich der Mann in mir wieder ein. Ein wahrhaftiger Krieger sollte ich sein und als einziger Überlebender aus dieser misslichen Lage herausfinden. Es würde nun nur noch heissen: ich oder du. Einer von uns wird sich jetzt bewegen müssen. Ich schaute diesem Riesenbiest in die giftgrünen, blutüberströmten und von Sünden gezeichneten Augen. Wenn du dich jetzt nicht auf der Stelle davonschlängelst, werde ich… Toll finde ich, dass es an diesem Berg so unfassbar viele verschiedene Wanderwege gibt, welche es alle noch zu entdecken gab und zu jedem Zeitpunkt zu einer friedlichen Erkundungstour einladen. Ich hievte die weisse Fahne, legte den Rückwärtsgang ein und freute mich, nicht verfrüht über den Jordan gegangen zu sein. Das wäre ja ein Ding gewesen, hättet ihr mein Skelett auf einem Baum oder, noch schlimmer, aus einem Erdloch bergen müssen. Da der heilige Berg ja nichts weiter als ein Jahrhunderte alter Friedhof ist, wäre mein Dahinscheiden immerhin in einem angemessenem Rahmen vonstatten gegangen. Vierbeiniger Influencer Von Vorteil wäre es wohl gewesen, einen Hund dabei gehabt zu haben. Allerdings zweifle ich, ob Schlange Kaa diesen auch als solchen erkannt hätte. In Japan, so ist mir aufgefallen, sind nämlich zahlreiche Hunde erstaunlich modisch eingekleidet. Teilweise tragen sie menschliche Pullover mit Kapuzen, schuhartige Socken oder die Feministen unter den Kötern gar kleine, farbige Röcke. Einmal begegnete ich einem Hund - nennen wir ihn stellvertretend Hund Takahiro - welcher von Kopf bis Fuss stylischer gekleidet war als ich. Da gehst du sprichwörtlich die Wände hoch. Nach dieser Schmach verabschiedete ich mich direkt in ein Ramen-Restaurant. Auf dem Weg dorthin dachte ich mir, sollte ich mal als Hund auf die Welt kommen, ist es wohl besser als Hund in einer wohlhabenden Familie auf die Welt zu kommen. O-hashi Dann wieder eine Schlange. Eine Menschenschlange. Vor dem Bestellautomaten. In den meisten Nudel-Restaurants wird die Bestellung nämlich zuerst an einem Ticketautomaten selbst eingetippt. Den Zettel übergibt man dann direkt dem Koch oder dem Servicepersonal. Sollte man etwas verloren oder verwirrt durch die Räumlichkeit schauen, ist schnell jemand zur Hilfe da. Die zahlreichen Bilder der verschiedenen Speisen helfen aber enorm. Das Bestellen stellt daher grundsätzlich keine grosse Herausforderung dar. Letztens sass ich entspannt und aufgrund des sagenhaften Essens mit Glückshormonen überschüttet vor meiner Nudelsuppe, als mir ein Angestellter aus Mitleid anbot eine Gabel zu bringen. Ich schaute etwas verdutzt auf meine versehentlich gekreuzten Stäbchen und versuchte mich zu erinnern, wie oft mir die Nudel gerade eben zurück in die Suppe entweichen ist. Das Ziel wäre es ja gewesen, diese bereits beim Ersten Versuch für immer in der Futterluke zum verschwinden zu bringen. Selbstbewusst dankte ich ihm für seine Aufmerksamkeit. Ich werde das schon packen mit diesen "Ohashis", diesen Stäbchen. Ich lehnte ab und widmete mich wieder dem Gedicht von einem Essen. Dann brachte er mir eine Gabel. Zu meiner Verteidigung muss ich aber sagen, dass mir Gabeln oft schon angeboten werden, bevor ich überhaupt den ersten Bissen runtergeschlungen habe. Womöglich hat es nämlich wirklich nichts mit meinen nicht zu unterschätzenden Fähigkeiten zu tun. Einmal lobte mich gar ein aufmerksamer Restaurantbesucher. Wo ich denn meine Stäbchen-Skills gelernt hätte? Vor lauter Freude mit mir ins Gespräch zu kommen, lud er mich und einen einheimischen Kollegen dann direkt noch auf ein Glas Orangensaft ein. Was man nicht alles erlebt hier. Seven Eleven Wunderland Auch ein Einkauf im lokalen Supermarkt kann stellenweise als kleineres Erlebnis in das Reisetagebuch eingehen. Findet man dort Getränke doch sowohl im klassischen Kühlregal wie auch in einem baugleichen Wärmeregal. Etwas ungewohnt, aber man gewöhnt sich daran. Läuft man dann weiter zur Sandwich-Theke springt einem möglicherweise ein Nudelsandwich (Brot aussen, Nudeln innen) oder ein Toastbrot-Erdbeer-Sandwich ins Auge. Beides getestet. Beides hat den Test bestanden. Sorgen um meine Figur muss ich mir als menschliche Bohne ja keine machen. Und auch der Mexikaner würde noch einige überladene Tortillas ertragen. Dann entschieden wir uns mit den öffentlichen Verkehrsmittel ins benachbarte Nara zu fahren. Die Stadt ist bekannt für ihre heiligen Rehe, welche feucht-fröhlich und ohne Rücksicht auf Verluste über die Strassen stolzieren, als würden sie ebenfalls dem steuerzahlenden Teil der Gesellschaft angehören. Als wir dann sogenannte Reh-Crackers zur Fütterung der heiligen Bambis kauften, hatten wir etwas Angst, dass die Rehe uns diese aus Mitleid gleich selbst überlassen würden. Dann plötzlich verbeugte sich ein Reh vor uns. Als wir aus purem Egoismus keinen Keks rausrückten, verbeugte sich das Reh erneut. Als wir den Spiess umdrehten und anfingen stattdessen uns vor dem Reh zu verbeugten, endete es in einer gegenseitigen Verbeugungs-Zeremonie. Aussenstehende müssen wohl gedacht haben, das es wohl besser wäre die Typen samt dem Reh in die Klapse einzuliefern. Wer jetzt aber glaubt, dass Ganze sei nur eine Erfindung oder eine Fabel dieses verlorenen Romanautors, sehe sich getäuscht. Die Rehe in Nara sind weit herum bekannt dafür, dass sie sich für einen Keks vor den Touristen verbeugen. Reh Johannes Paul 2 Besser kam es nur noch, als die heiligen Rehe mitten in der Stadt gleich selbst einen Touristen-Laden stürmten. Die Bilder dazu gibt es unten. Während sich etwa eine Handvoll dieser Gruppierung im Laden selbst tummelten und von der Besitzerin in japanischer Höflichkeit mit einem Besen wieder hinaus getrieben wurden - lungerte draussen der restliche Teil der Bande in Fledermaus-konformem Abstand herum. Diese warteten vermutlich nur darauf, bei passender Gelegenheit den Laden vollends auseinanderzunehmen. Wie integriert und angepasst die Rehe in Nara grundsätzlich aber sind, erkennt man daran, dass sie sich am Fussgängerstreifen oft dafür entscheiden erst bei Grün zusammen mit den Menschen über die Strasse zu gehen. Dies wohl aber eher aus Eigeninteresse um nach dem Aufprall nicht in einer Sushi-Rolle zu enden. Weil es bei unserem Besuch fast keine Touristen vor Ort hatte, waren die Tiere in diesen Tagen wohl ähnlich unterernährt wie wir und folglich besonders scharf auf Futter. Das spürte ich, als ich von einer ganzen Horde und dann auch noch von allen Seiten her angegangen wurde. Im Fussball hätte man von einer wüsten Rauferei gesprochen. Im Eishockey hätten gleich alle Beteiligten eine Spieldauer-Disziplinarstrafe kassiert. Nur weil ich ein paar Cracker in der Hand hatte, kamen die Viecher wie Furien angaloppiert und belästigten mich ohne Rücksicht auf jegliche Verluste. Eines biss dann voller Verzweifelt in mein sowieso bereits ausgelaugtes und verwaschenes H&M Shirt. Ich wünschte Takahiro wäre zur Stelle gewesen. Aber der hätte sich bestimmt Sorgen um seine Klamotten gemacht. Yomiuri Shinbun Als wir dann von diesen finsteren Gestalten zuerst in einen Hinterhalt und dann beinahe in einen trüben Tümpel gedrängt wurden, biss mir doch tatsächlich noch eines dieser aufmüpfigen Rehe in die Nieren. Diszipliniert wie ich bin, bekam dieser auf der Stelle und bis auf weiteres kein Futter mehr von mir. Obwohl, besser ein Rehbiss als ein Schlangenbiss. Als der letzte Keks vergeben wurde, löste sich der Haufen so schnell auf wie er gekommen war. Offensichtlich war ich plötzlich nicht mehr interessant - für die Tiere. Stattdessen kam ein Journalist. Dieser arbeitete für die auflagenstärkste Zeitung Japans und wollte gerne eine Story über mich schreiben. Da war er bei mir gerade an der richtigen Adresse gelandet. Ich legte los: Philippinen, Startup, Vulkanausbruch, China, Flucht vor Virus, letztes Flugzeug, Flucht nach Manila, Nacht- und Nebel-Aktion und erneute Flucht. Dann Einreise in Japan nur wenige Tage vor der totalen Einreisesperre… Als ich mit der Dramaturgie fertig war, fiel mir ein, dass das Allerletzte was ich als besorgter Japaner in der häuslichen Quarantäne zu diesem Zeitpunkt gerne noch lesen wollte, ein Interview mit einem Ausländer wäre, der noch vor wenigen Wochen in China herum eierte und nun hier gutgelaunt aber unwissentlich die neuste Mutation des Fledermaus-Erregers streute. Ein Glück bekam ich nur einen Tag später eine E-Mail, dass die Story nicht abgedruckt wurde. Stattdessen durfte ich aber die Fotos behalten. Nara war definitiv eine Reise wert. Japanische Safari Der nächste Ausflug in unserem befrachteten Programm führte uns noch in derselben Woche zu einem malerischen Affenberg am Rande Kyotos. Dieser wurde erst gerade am Tag zuvor (nach der Fledermaus-Zwangspause) wiedereröffnet - dementsprechend alleine waren wir auch unterwegs. Nach einem kurzen Aufstieg staunten wir nicht schlecht, als hoch über Kyoto und bei umwerfender Aussicht dutzende kleine Makaken-Äffchen frei und in aller Leichtigkeit zwischen Baumwipfeln hin- und herturnten und sich gegenseitig in den saftig grünen Wiesen nachjagten. Zahlreiche Schilder warnten aber die Besucher, dass die Affen beissen können, und man daher auf keinen Fall Augenkontakt zu ihnen aufbauen sollte. Gebissen, bedroht und angegangen wurde ich in dieser Woche bereits oft genug, also folgt hier auch keine Geschichte über einen blutigen Machtkampf mit einem anderen Primaten. Und weil die Vorsicht bekanntlich die Mutter der Porzellankiste ist, marschierte ich den restlichen Nachmittag blind wie eine Fledermaus an sämtlichen Affen vorbei. Wie diese ausgesehen haben, kann ich daher nur rückblickend anhand der Fotos beurteilen. Diese findet ihr gleich hier unten. In diesem Sinne: „Klappe zu, Affe tot, endlich lacht das Morgenrot.“ E-Mail Benachrichtigung bei neuem Blog-Post aktivieren? Hier klicken
Airbnb Gutschein einlösen? Hier klicken Auf nach Kyoto Wir waren gerade dabei die letzten Kleidungstücke in unsere Koffer zu pressen, da hörten wir das Geräusch einer Sirene durch die offene Balkontüre hineinsirenen. Ein seltenes Ereignis. Sicherheitstechnisch scheint die Welt hier in Japan nämlich noch in Ordnung zu sein. Ausser der Polizei müllert hier auch keiner mit dem Toyota um die Bahnhöfe. Die Autos halten an den Fussgängerstreifen mit gefühlten 20 Meter Sicherheitsabstand. Auf den Philippinen dagegen konnte man beim Überqueren froh sein, lediglich die Abwärme und nicht das heisse Metall der Jeepneys an der Wade zu spüren. Das muss wohl an der guten Kinderstube der einheimischen Bevölkerung liegen - dachte ich mir. In der Schule und in der Familie werden Disziplin, Recht & Ordnung und Höflichkeit äusserst hochgehalten. Gerne würde ich das wieder zurück in die Schweiz bringen. Bei uns werden die neuen Kinder ja nur noch im Notfall erzogen. Ruhestörung Dann wieder eine Sirene. Und dann noch eine. Und noch eine. Als wir uns auf den Balkon verschoben, sahen wir aber keinen Banküberfall, sondern dass 100 Meter weiter der Strasse entlang ein Haus in Flammen stand. Gerne würde ich euch jetzt eine Heldengeschichte auftischen, wie ich als Ausländer - beherzt und ohne Furcht - im Inneren des Gebäudes noch die letzten Bewohner rettete und danach von den japanischen Zeitungen gefeiert und in den Orbit hoch geschrieben wurde. Abgesehen davon, dass wirklich noch Personen von der Feuerwehr aus den oberen Stöcken gerettet werden mussten und diese sich während der Rettung gleich selbst fotografierten, konnte ich aber nichts mehr machen. Badespass im Sento Es zeigte mir aber einmal mehr, dass das Unglück jeden von uns treffen kann. Daher sollte man bei allem Einsatz für die Arbeit auch nie vergessen das Leben zu leben. Das taten wir beispielsweise vorbildlich, indem wir etwa einmal in der Woche ein sogenanntes „Sento“ besuchten. Ein Sento ist ein traditionelles japanisches Badehaus, das mit Holz geheizt wird. Lange Zeit gab es in den eigenen vier Wänden wegen Feuerschutzbestimmungen keine privaten Badezimmer, daher gingen sich die Japaner regelmässig im Sento waschen. Unterdessen hat sich das natürlich geändert. Obwohl die Zahl der Besucher seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert stetig zurückging, ist der Badehausbesuch immer noch tief in der japanischen Kultur verankert. In Osaka gibt es zahlreiche Sentos. Und während der Corona-Zeit blieben diese zu unserer Freude weiterhin geöffnet. Deswegen folgt hier nun mein Erfahrungsbericht. Erfahrungsbericht 1 Die Abteile für Frauen und Männer sind getrennt. Zuerst sollte man sich gründlich waschen. Dafür stehen meist etwa 10 - 20 kleine Hocker zur Verfügung. Diese sind kaum grösser als eine ausgewachsene Hauskatze. Man sitzt dann also im Adamskostüm und krummem Rücken auf diesem Miniatur-Plastikhocker unter einer Wasserdüse, welche im Stehen maximal bis zum Bauchnabel reichen würde. Hat man sich nun gründlich eingeschäumt und das Fledermausvirus abgewaschen, darf man sich zu den zahlreichen Bäderbecken begehen. Diese sind aber entweder derart heiss oder derart kalt, dass man sich wohl oder übel zwischen Brandblasen und Frostbeulen entscheiden muss. Nach einer kurzen Angewöhnungszeit lässt es sich aber im Inneren durchaus einige Minuten entspannen. Deshalb kamen wir auch immer wieder gerne zurück. Allerdings suchten wir der Unterhaltung wegen immer wieder neue Badehäuser. Bis uns eines Tages etwas Seltsames ins Wasser sprang. Erfahrungsbericht 2 Ich muss etwas ausholen: Tätowierungen sind in den Badehäusern und auch in den Fitnesscentern streng verboten. Der Grund ist in der Geschichte der japanischen Mafia zu finden - der Yakuza - welche angeblich zwar bis in die höchsten politischen und wirtschaftlichen Ebenen ihre Finger im Spiel hat, deren Mitglieder aber traditionell mit eindrücklichen Vollkörper-Tattoos auffallen. Die Geschichte geht weit zurück. Im siebten Jahrhundert wurde der Rebell Hamako nicht mit dem Tod, sondern mit einem Tattoo bestraft. In den Jahren danach wurde es üblich, dass man die Kriminellsten zum Schutz der Bevölkerung brandmarkte, in dem man oftmals den Ort und die Tat auf die Haut ritzte. Für die Täter gab es folglich keinen Platz mehr in der Gesellschaft. Also fingen sie an, die Tattoos mit dekorativem Design zu übermalen. Als der Mexikaner und ich dann an diesem verregneten und kalten Sonntagabend nach der Arbeit per Zufall ein neues Sento entdeckten, waren wir noch voller Vorfreude. Die Umkleidekabine war menschenleer. Da wir bereits erfahren und geschult waren, ging alles relativ speditiv. Hosen aus, Kleider in den Spind, Schlüssel um das Handgelenk und dann ab in das Vergnügen. Im Dunstkreis Wir duschten erneut gründlich (um das über die Woche neueingefahrene Wuhan-Virus wieder aus den Haaren zu kriegen) und hüpften danach direkt in das kochende Becken. Wir entspannten unsere Glieder analog einem Hummer im Kochtopf. Gerade als ich dabei war meine Wirbelsäule wieder zurecht zu sprudeln, enterte ein japanischer Bulldozer mit Vollkörper-Tattoos das Becken. Das Wasser überlief und unsere Herzen fielen in die Hosen. Da wir aber keine anhatten, schwammen diese wahrscheinlich direkt den Abfluss hinunter und trauten sich bis heute nicht mehr zurück. Als wir genauer in den dampfverhangenen Baderaum blickten, stellten wir fest, dass hier noch ganz andere Typen der gleichen Rasse ihre „Arbeitswoche“ ausklingen liessen. Offensichtlich sind wir hier versehentlich in ein fremdes Nest gekrochen. Man muss sich das mal bildlich vorstellen. Néstor und ich kommen beide kaum über 60kg Körpergewicht. Der Typ hatte mindestens das Doppelte. Sein ganzer Oberkörper war voller bunter Drachen und mysteriösen Zeichen. Obwohl das Becken genügend Platz gehabt hätte, setzte er sich *Trommelwirbel* direkt neben mich. Holla die Waldfee, das, meine Lieben, war kein Zufall. Ich schaltete in den Krisenmodus und überlegte mir gleichzeitig bereits eine Beerdigungsstrategie. Was könnte ich ihm anbieten? Ein anonymes Bankkonto in der Schweiz? Bitcoins? Verhandlungen auf neutralem Boden? Leider hatte ich aber mal gelesen, dass wenn man das Krokodil füttert, man trotzdem gefressen wird. Daher würde das wohl ins Leere laufen. Das Hinterzimmer Eine Treppe führte direkt am Beckenrand hinauf zu einer Sauna, für welche man aus unerklärlichen Gründen extra bezahlen musste. Aus genauso unerklärlichen Gründen schien diese aber im Vergleich zur kostenlosen Sauna im Untergeschoss leicht überbevölkert zu sein. Immer mehr und mehr der tätowierten Kleiderschränke stolzierten am Pool vorbei die Treppe hoch - wo offensichtlich die Musik spielte. Mir schien es, als würde dort gerade ein Konklave der Organhändler oder sowas stattfinden. Dann fing Hamako mit mir zu sprechen an. Ich mach es kurz, natürlich war auch das ein lieber Kerl. Obwohl es mir auf der Zunge lag, wagte ich es nicht ihn auf die potentiellen Yakuza-Verbindungen anzusprechen. Ein altes Sprichwort besagt, man solle nie schlafende Hunde wecken. Den restlichen Abend verbrachten wir folgedessen im Modus Vivendi zwischen der karg-bevölkerten Sauna und dem Sündenpool. Bis heute lässt es mich aber nicht los. War er nun einer oder war er keiner…? Die Hungersnot Rückblickend kann man sagen, wir kamen uns vor wie zwei unterernährte Enten, welche sich gerade in den falschen Teich verirrt hatten. Aber die Nahrungssuche in dieser kargen Jahreszeit mit nur wenig offenen Restaurants war zugegebenermassen auch wirklich etwas schwierig. Obwohl man es mir äusserlich nicht ansieht, ich esse etwa das Doppelte einer normalen ausgewachsenen Person. Mein Ziel war es daher immer, ein Restaurant zu finden, welches sich weniger auf Gourmet und etwas mehr auf Nahrung fokussieren würde. Dann, eines Abends, standen zwei japanische Knaller-Damen vor einer traditionellen Speiselokalität in der doch überraschend belebten Innenstadt. Sie hielten ein Bund an Glückslosen in der Hand. Da die Speisekarte ansprechend aussah und wir uns bereits entschieden hatten es auszutesten, nahmen wir selbstverständlich auch an der Verlosung teil. Wie man so schön sagt: „Wer nichts gewinnt - der nicht gewagt!“. Ich zog das Los - und die Frauen jubelten. Angeblich hätte ich einen Broccoli gewonnen - übersetzten sie. Lesen konnte ich es sowieso nicht aber gefreut habe ich allemal. Nase läuft. Die Nase Satans Den Jackpot knackte ich dann aber an einem anderen Tag. Wochenlang war ich auf der Suche nach einem Restaurant, welches wie zuhause eine riesige Schüssel Pasta auf den Tisch stellen würde. Ich könnte mich hinsetzten und würde satt und überglücklich wieder aus der Lokalität hinausspazieren - ohne gesalzene Rechnung für die extra Beilage. Und dann betrat ich dieses familiengeführte Nudel-Restaurant und bestellte die grosse Portion Ramen (Nudelgericht). Mehrmals fragte der Koch, ob ich wirklich sicher sei, da die grosse Portion wahrhaftig riesig daherkommen würde. Zur Verdeutlichung streckte er mir dann letztlich noch die zugegeben gewaltige Schüssel entgegen. Ich warf einen Blick darauf. Heute sind wir gut befreundet. Die Unterkunft Im letzten Monat verbrachten wir vermehrt Zeit in den eigenen vier Wänden. Immer mal wieder klapperten wir aber einige der Touristenattraktionen ab. Die zahlreichen Tempel, der Kaiserpalast, die alten Burgen. Kyoto kann sich wirklich sehen lassen. Aber auch unsere Unterkunft war klasse. Mit etwa 18 (!) verschiedenen Lichtschaltern war es aber manchmal etwas schwer, das gewünschte Licht beim ersten Versuch ein- oder auszumachen. Und wer übrigens beim geplanten Japan-Urlaub glaubt im Badezimmer für die morgendliche Dusche nicht auf diesen hauskatzen-grossen Schemmel sitzen zu müssen, der sehe sich getäuscht. Der Schlauch reicht in den meisten Unterkünften nicht über den Kopf. In diesem Sinne. Tschüss ihr Mäuse. E-Mail Benachrichtigung bei neuem Blog-Post aktivieren? Hier klicken
Airbnb Gutschein einlösen? Hier klicken 26/5/2020 2 Comments Blog #12 - Wie ein gehetztes RehDie Ausreise
Nachdem mich der Australier und seine Frau in einer filmreifen Nacht und Nebel Aktion aus dem Moloch von Manila evakuiert hatten, nutzte ich die einsamen Stunden am Flughafen um mich mental auf die nächste Destination vorzubereiten. Viele Informationen über Osaka hatte ich nicht gerade. Aber es würde bestimmt wieder eine gute Zeit werden - dachte ich. Ich sass im Abflug-Gate und starrte in Gedanken versunken durch die riesige Panorama-Fensterfront auf einen bezaubernden Sonnenaufgang. Der Flughafen in Manila war komplett verwaist. Dutzende gegroundete Flugzeuge der asiatischen Billig-Fluggesellschaften liessen die Passagiere wissen, dass es ganz und gar keine normale Zeiten waren, in denen wir uns befanden. Der Flug nach Osaka verlief dann aber unspektakulär. Wer jetzt bereits wieder mit einer Filzmaus oder anderen kuriosen Geschichten gerechnet hatte, den muss ich hier leider enttäuschen. Diese Geschichten folgen später. Die Einreise Wie „anders“ Japan ist, merkt man nämlich relativ schnell. Genau genommen merkt man es bereits bevor man überhaupt offiziell in Japan eingereist ist. Zu Fuss ging es erstmals durch die üblichen sterilen Flughafengänge. Je näher ich aber dem Gepäckband kam, desto mehr Flughafenangestellte wiesen mir höflich den Weg. Diese standen meist in Gruppierungen von etwa drei bis fünf Personen nahe den klar beschilderten Abzweigungen und waren unfassbar besorgt, dass man sich nur um alles in der Welt nicht verläuft. Nach jeder korrekt erwischten Abzweigung stand gleich ein weiteres Grüppchen am Ende des nächsten Korridors. Kaum wurde man von diesen entdeckt, versetzte man sie gleichwohl ungewollt und schockartig in helle Aufregung. Über den Daumen gepeilt deuteten dann jeweils etwa zehn Hände bereits von weither zur nächsten Abzweigung. In den finalen Kurven, kurz vor der Gepäckausgabe, nickte ich dann einer dieser strammen Formation freundlich mit dem Kopf zu, worauf sich alle fünf Japaner synchron und beinahe 90 Grad nach vorne beugten. Da gehst du durch die Decke. Offensichtlich wird hier selbst ein Erdnusshändler behandelt wie der Kaiser von China. Die Gepäckausgabe selbst erreichte ich aber trotzdem nie. Die Koffer-Story Bei meiner Ankunft war die Anzahl Flughafenmitarbeiter um mehrere Faktoren höher als die der Passagiere. Und da ich einer der letzten meiner Gattung war, welcher überhaupt noch in Japan einreisen durfte, genoss ich eine Dienstleistung der Extraklasse. Weit am Horizont, wortwörtlich direkt vor der Passkontrolle, sah ich meinen Rollkoffer vereinsamt am Boden liegen. Ich schärfte meine kleinen Falkenaugen. Kann das wirklich sein? Wenn ja, wo liegt das Problem? Wieder stand ein kleines Bataillon an Flughafenmitarbeiter stramm daneben. Als ich mich als Besitzer vom Koffer zu erkennen gab, hievten sie diesen für mich auf und übergaben ihn mir direkt in die Hand. Offensichtlich wurde mir selbst der Weg zum Gepäckband abgenommen. Verrückte Welt. Dann ging ich wieder Erdnüsse verkaufen. Der Unterschlupf Die ersten Nächte verbrachte ich einer Jugendherberge. Diese war aber trotz des Tiefpreisangebots von derart hoher Qualität, dass ich mir ernsthaft Gedanken darüber machte, meine Zelte für die nächsten Wochen hier aufzuschlagen. Nach einigen Tagen traf dann auch der Mexikaner in Osaka ein. Über den Wohnraumvermittler Airbnb fanden wir etwas noch besseres zum selben Preis. Wer noch nie über Airbnb gebucht hat, kann dies übrigens hier tun und bekommt CHF 55.- Rabatt auf die erste Nacht. Ich meinerseits streiche dabei CHF 30.- ein und kann mir damit beispielsweise neue Erdnüsse kaufen. Emsige Geschäftstreiber Wie gutes Geschäften geht, lernt man sowieso von den Japanern. In zahlreichen buddhistischen Tempeln und Shintō-Schreinen kann man sogenannte „O-Mamori“ kaufen - japanische Glücksbringer. O-Mamori sind für alle denkbaren Situationen des Lebens erhältlich: Gesundheit, hohes Alter, Liebe, glückliche Ehe, komplikationsfreie Schwangerschaft, Bestehen von Examen, usw. Der Inhalt des Beutels ist aber oft nur ein Stück Papier. Ein weiterer Hacken ist, dass man ein O-Mamori nicht öffnen darf und diese nach einem Jahr ihre Wirkung verlieren. Dann muss man sie in Tempeln oder Schreinen verbrennen und gleich danach neue kaufen. Ein Schelm, wer jetzt Böses dabei denkt. Solche zweischneidigen, kapitalistischen Geschäftsgebaren würde ich nie unterstützen, geschweige denn selbst anbieten. Gerne könnt ihr aber auf den Airbnb-Weiterempfehlungslink klicken und eine erste Übernachtung buchen. Auf weiter Flur Vom Fledermaus-Virus war hier weit und breit nichts zu spüren. Zwar waren die grossen Touristenattraktionen geschlossen, sämtliche Restaurants und Geschäfte aber geöffnet wie eh und je. Selbstredend waren auch die meisten Tempel und Shintō-Schreine weiterhin zugänglich. Irgendwo muss man ja die abgelaufenen Glücksbringer verbrennen können. Aber bei all den Verlockungen, wir waren hier ja nicht nur zum Spass. Selbstverständlich liessen wir es uns aber nicht nehmen, während dieser Zeit auch mal den Aussenbereich der Burg von Osaka zu bestaunen. Der Zeitpunkt hätte nicht erfüllender sein können. Es war der Höhepunkt der Kirschblüten-Saison. Fantastische Erinnerungen in einer aussergewöhnlichen Zeit. In den Gassen Osaka ist eine etwas andere Welt. Persönlich haben mir die engen japanischen Seitengassen bei Nacht und etwas Nieselregen besonders gefallen. Das Essen ist Weltklasse. Die Leute sind ungemein höflich, aber gleichzeitig auch etwas kühl. Zudem ist mir eine überdurchschnittlich hohe Anzugsdichte und ein allgemein sehr eleganter Kleidungsstil über sämtliche Bevölkerungsschichten hinweg aufgefallen. Auf den Philippinen huschten wir noch mit den FlipFlops in den nächsten 7-Eleven. Hier kommen bereits verheerende Schamgefühle auf, wenn man nur schon daran denkt. In der Metro wird mit pfeiffen-geradem Rücken korrekt auf dem Sitz gesessen. Man spricht nicht und man futtert nicht. Das oberste Gebot ist die Mitmenschen nicht zu stören. Eingepfercht Die meiste Zeit verbrachten wir aber weiterhin in den Cafés dieser Stadt, während der Wuhan-Virus über Europa mit voller Kraft wütete. Das Buschtelefon liess mich aber wissen, dass ihr von Simonetta und Alain aufgefordert wurdet zuhause zu bleiben. Bleiben sie zuhause! Rester à la maison! Blaben se dahoam (Österreich)… Für uns war die Flucht nach Japan ein Schachzug sondergleichen. Für drei Wochen lief alles nach Plan. Die Insel war komplett verschont vom Chaos rund um den Globus. Wir genossen ein Leben in kompletter Freiheit und losgelöst von sämtlichen Problemen und Einschränkungen. Dies änderte sich schlagartig, als der Starbucks die Hälfte der Tische verschwinden liess. Das Frühwarnsystem Die Szene hat sich bis heute in meinem Gedächtnis eingebrannt. Wie jeden Tag, gut gelaunt und im Stile wie zwei Mittelstufen-Schulkinder vor dem Sportunterricht, stürmten ich und Nés morgens in unsere favorisierte Starbucks-Filiale im Herzen von Osaka. Alle waren sie da, die üblichen Verdächtigen. Die Kaffeeklatsch-Prinzessinen an der Fensterfront. Die Trulla vom Montagmorgen, wieder direkt unter dem grossen Bücherregal. Doch die Hälfte der Tische war weg. Beide blieben wir für einen Moment verwundert stehen. „Denkst du das gleiche wie ich?“, sagte ich zu ihm. Mir zitterten vor Angst die Nasenhaare. Meine Corona-Alarmglocken klingelten in maximaler Lautstärke. Dies war definitiv kein singuläres Ereignis. Genau so fing es auch in Shenzhen und in Manila an. Zuerst kommt das Desinfektionsmittel vor den Eingang, dann werden die Tische aus dem Lokal geschleppt und letztlich werden die Pforten komplett dicht gemacht - in der ganzen Stadt. Langsam fühlte ich mich wie ein gehetztes Reh. Hätte ich doch nur das passende O-Mamori gekauft. Ich Hirse. Ein bisschen Platz muss sein... Wieder berief ich eine Krisensitzung ein, diesmal inkludierte ich den Mexikaner. Eine Strategie für Plan B musste her. Wir müssten uns auf einen Monat in eigenen Räumlichkeiten einstellen und uns daher so positionieren, dass wir problemlos von zuhause aus arbeiten könnten. Daher benötigen wir eine Unterkunft mit einem grossen Tisch und akzeptablen Stühlen, ohne das sich nach zwanzig Minuten das Rückenmark zu verschieben beginnen würde. Eine Unterkunft mit Tisch zu finden war aber nicht mal so einfach in Japan. In sämtlichen Inseraten fanden wir lediglich kniehohe Bambustische auf einer Matte aus Reisstroh - dem „Tatami“. Es dauerte beinahe einen Tag, bis wir einen Knaller in Kyoto fanden. Also packten wir unsere sieben Sachen und flüchteten nach Kyoto, die einstige japanische Hauptstadt. Es erwarten uns buddhistische Tempel, viele Gärten, Kaiserpaläste und natürlich Shintō-Schreine. *** Und zum Schluss noch dies: Werte Leser, ich verkaufe neuerdings handgefertigte, digitale Glücksbringer. Das Glück hält aber nur bis zum nächsten Blog-Post. Und denkt daran, auch Haustiere könnten einen Schub Glück benötigen. Hunde, Katzen, Hamster, Flughunde, Pferde… Schnappt zu. 17/4/2020 0 Comments Blog #11 - Die Flucht aus ManilaQual der Wahl Kaum zu glauben, aber es war bereits wieder Zeit für einen Haarschnitt. Meine Fäden spriessten in atemberaubendem Tempo, ich konnte diesen beinahe beim Wachsen zusehen. Ob mir die Chinesen damals die Schädeldecke gedüngt hatten? Was in aller Regel absolut reibungslos vonstattengeht, wurde letztes Mal in der goldenen Haarwurzel zu einem Drama in vier Akten. Man erinnere sich: Verständigungsprobleme, eine Kopfmassage bis die Birne glühte, eine pfeiffengerade Haarlinie auf der Stirn und ein kleiner Pilzkopf der durch die Decke ging. In Manila ist der nervenaufreibende Gang zum Coiffeur allerdings bedeutend einfacher als noch in Shenzhen - dachte ich. Hier hatte ich nämlich gerade mal drei Optionen: Option 1: Der lokale Strassenfriseur. Hat dieser gerade keine Kunden oder Familienmitglieder auf seinem bunten Plastikhocker, füttert er wahrscheinlich seine vier Hühner oder wartet am Strassenrand bis die Sonne untergeht. Ob er das Geschäft bei den Behörden auch wirklich angemeldet hat und Steuern bezahlt, wage ich mal zu bezweifeln. Option 2: Der erfahrenen Quartierfriseur. Dieser hatte schon die ganze Nachbarschaft und alles was sonst noch rumgaloppiert (inkl. Hunden) auf dem Stuhl. Allerdings besitzt er auch effektiv eine Räumlichkeit. Die Decke scheint zwar jeden Moment einzustürzen, aber grundsätzlich lässt es sich mit einem Quäntchen Glück überleben. Option 3: Der Einkaufscenter-Friseur. Die Räumlichkeiten sind definitiv erdbeben- und wahrscheinlich auch vulkanstaubsicher. Die Tapete an der Wand hängt (noch). Alles ist sauber herausgeputzt. Der Haken: Das Preisschild zeigt etwa das Vierfache vom Quartierfriseur und das 10-fache vom Strassenfriseur. Dafür ist man bestimmt in guten Händen - dachte ich. Der Entscheid: Also entschied ich mich *Trommelwirbel* für Option 3 und damit die absolute Luxus-Variante, welche mit summa summarum CHF 7.- immer noch bescheiden günstig dahergeschnitten kommt. Wie viele Löhne man offensichtlich damit bezahlen konnte, überraschte mich dann aber doch. In den Räumlichkeiten befanden sich sieben (!) teilweise arg aufgedonnerte Damen. Eine davon machte den Empfang - und zwar nur den Empfang - obwohl ich der einzige Kunde weit und breit war. Eine andere Dame übernahm die überdurchschnittlich zärtliche Haarwasch-Zeremonie. Und eine Dritte machte letztlich den entscheidenden Schnitt. Der Rest der Gruppierung war nur Zuschauer. Soweit so halb-normal. Schnattergänse Wer jetzt aber glaubt, die nicht-involvierten Damen hätten sich dezent im Hintergrund aufgehalten, liegt falsch. Diese standen nämlich halbmondförmig um meinen Stuhl herum. Am Anfang dachte ich noch, der Haufen würde sich bald von selbst auflösen. Doch auch ich sah mich getäuscht. Offensichtlich war es derart spannend um diesen Stuhl herum, dass die Häuptlings-Coiffeusin die Schere während den regelmässigen Lachkrämpfen zwischenzeitlich gar ablegen musste. Es wurden auch immer mal wieder die neusten Nachrichten auf dem Smartphone gecheckt - oder mit den Kolleginnen Bilder und Nachrichten ausgetauscht - wohlgemerkt mitten während dem Schnitt. Die grosse Entdeckung Einen kleineren Schock erlitt die Anführerin der Bande, als sie mir mit dem Kamm und der Schere an die Stirn ging und eine gewisse Ungereimtheit entdeckte - ein ästhetisches Paradoxon. Ich erklärte es ihr. Dann folgte noch ein von langer Hand geplanter Verkupplungsversuch mit der jüngsten der Zuschauerinnen. Diese hätte durchaus bei Germany’s next Top-Nager mitmachen können - war sonst aber ganz lieb. Trotzdem, ich lehnte ab. Im Futterhaus Allgemein scheint es in den Philippinen ziemlich normal zu sein, dass man als einfachen Angestellten lediglich einer einzigen Aufgabe nachgeht. Bei Mang Inasal, einem Discount-Restaurant der Superlative, läuft einer der Servierdüsen stundenlang mit einem riesigen Topf voller Reis im Restaurant herum. Aufgrund des All-You-Can-Eat Konzeptes finden sich auch einige seltene philippinische Bären im Laden. Ein anderer Angestellter läuft zudem stundenlang mit lediglich zwei Krügen voller saurer Suppe um die Tische. Wer jetzt aber glaubt, man könnte den Typen mit dem Reis fragen, ob er später bei Gelegenheit noch mit der Suppe vorbei kommen könnte, der bekommt mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Korb. Mang Insala hat sich übrigens praktisch aus dem Stand heraus zu einem meiner Lieblingsrestaurants gemausert. Das hat womöglich damit zu tun, dass ich als Raupe Nimmersatt hier voll auf meine Kosten komme. Als ich den Laden das erste Mal mit einem lokalen Pinoy betrat, fand ich noch ein paar Hühnerknochen und Reis unter dem Tisch. Der Boden sah aus, als wäre vor wenigen Minuten gerade eine Raubtierfütterung zu Ende gegangen. Die Jollygang - das muss man ihnen lassen - reinigt da um Längen besser. Warum auch mit Besteck? Gegessen wird im Mang Inasal traditionell mit den Händen. Ich muss zugeben, ich habe noch nie einen ganzen Teller Reis auf diese Weise in mich hineingefuttert. Zuerst wurde mir empfohlen, den Reis mit Hühneröl einzufetten - damit dieser auch nach etwas schmeckt. Dann wurde mir erzählt, dass die philippinischen Jugendlichen hier nach der Schule gegeneinander wettfressen. Wer gewinnt, muss nicht bezahlen. Das erklärt auch die toten Knochen unter dem Tisch. Selbstverständlich konnte man aber auch einen Teller ohne den beliebten Nachschub-Service bestellen. Der Preisunterschied für die unlimitierte Variante war lediglich ein paar Peso. Die Marketinggenies von Mang Inasal hatten zu dieser Zeit gerade noch ein Aktions-Angebot ausgeheckt. Der Rabatt gegenüber dem Normalpreis war unglaubliche zwei Philippinische Pesos - also CHF 0.038 gegenüber dem Normalpreis. Der Holzdampfer Auch die Preise auf der Fähre - welche wir beinahe täglich benutzen um auf die andere Stadtseite zu kommen - hatte eine seltsam Preisliste. Die Fahrt dauerte knapp eine Minute. Das Boot selbst wurde vermutlich im gleichen Jahrzehnt wie die Arche Noah gebaut und hält sich auch nur deshalb noch über Wasser, weil die abgenutzten Michelin-Reifen rund um die Holzbretter noch nicht am Lebensende angekommen sind. Der Preis für die Fahrt muss irgendwo zwischen vier und acht Pesos gelegen haben - also umgerechnet etwa einen Rappen. Warum ich das nicht genau weiss? Rückgeld gab es je nach Wetterlage. Dem alten Mann hinter dem alten Holztisch habe ich Münzen in allen Variationen und Formeln gegeben - doch er winkt mich ausnahmslos jedesmal durch. Der Weltenbummler Dass es aber auch anders geht, fand ich heraus, als ich mit Max in einem arabisches Restaurant speisen ging. Nur einen Steinwurf entfernt vom bekannten Viertel mit dem wirtschaftlich nicht unbedeutenden Horizontalgewerbe, fand sich eine kleine versteckte Lokalität - mit einer, sagen wir mal "grösseren“ Preisliste. Der Inhaber reist seit vierzig Jahren um die Welt und hatte dabei ein paar Rezepte mehrheitlich aus dem arabischen und afrikanischen Raum mitgebracht. Allerdings hatte er vergessen, die Ladenhüter-Gerichte welche nicht so laufen aus der Karte zu streichen. Das Sammelsurium umfasst nun über 200 verschiedene Gerichte (mehrheitlich Curries in allen Farben und Formen). Das Beweisfoto der Monster-Speisekarte - übrigens mit immer noch bescheidenen Preisen - befindet sich ganz unten. Die grosse Flucht Dann brach die News hinein, dass Präsident Rodrigo Duterte aufgrund des Fledermaus-Virus den Grossraum Manila komplett abriegeln könnte. Auf das Gerücht folgte alsbald die Bestätigung. Also suchte ich einen sicheren Hafen in Asien und fand diesen in *Trommelwirbel* Osaka, Japan. Kaum gebucht, platze die nächste Bombe. Der Präsident empfahl den Ausländern, die Insel innerhalb von 72 Stunden zu verlassen. Auch die Schweizer Botschaft riet mir in einem E-Mail, mich an die Empfehlungen der Regierung zu halten. Also musste ich wohl oder übel auf einen früheren Flug umbuchen. Die einzige noch verfügbare Verbindung war am nächsten Morgen um 08:00 Uhr - oder anders ausgedrückt: in weniger als 12 Stunden. Gleichzeitig realisierte ich, dass nicht nur der komplette Jeepney-Verkehr eingefroren wurde, sondern auch der Taxi-Verkehr. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Auf die Fragen, wie man noch zum Flughafen kommt, wurde mir von mehreren Quellen gesagt, dass dies nur noch mit privaten Fahrzeugen möglich wäre. Um Mitternacht dann berief ich eine Krisensitzung mit mir selbst ein. Ich hatte zwar unterdessen Kontakte wie einen Telemast, aber jemanden um diese Uhrzeit noch mit einem Auto aufzutreiben erwies sich als Ding der Unmöglichkeit. Als alter Soldat weiss ich aber, dass jede Reise mit dem ersten Schritt beginnt und dass man jedes Ziel erreichen kann - wenn man nur will. Also heckte ich einen Plan aus. Nächtlicher Aufbruch Um 01.00 Uhr in der Nacht packte ich alle meine Sachen und räumte die Unterkunft. Mit dem Rollkoffer setzte ich mich neben die Einfahrt zum Wolkenkratzerkomplex. Der Blick auf die nahegelegene Brücke bestätigte, was ich bereits aus dem Fenster geahnt hatte. Manila wurde innerhalb weniger Stunden zu einer Geisterstadt. Auch die Sicherheitsleute an der Einfahrtsschranke versuchten private Taxifahrer aufzubieten. Doch ich realisierte schnell, dass ich mich darauf nicht verlassen konnte. Nach einer Stunde kam endlich mal ein Auto durch die Schranken. Ich hielt es an. Ein australischer Fahrer liess die Scheibe hinunter und fragte, wie er mir helfen könne. Auf der Rückbank und im Kofferraum stapelten sich massenweise Akten, 12 Computerbildschirme und viele weitere elektronische Geräte wie Mäuse und Tastaturen. Die Bedingung war, dass wir diese zuerst ausliefern müssten, bevor er mich am Flughafen hinauswerfen könne. Ich willigte ein. Von ihm und seiner philippinischen Frau wurde ich im arg überfüllten Auto mitgenommen. Im Eiltempo durch die Geisterstadt Wir düsten den verlassenen Strassen nach quer durch Manila. Ich schaute aus dem Fenster auf die schmalen und dunkeln Zufahrtsstrassen, wo normalerweise bis in die frühen Morgenstunde das Leben tobte. Doch die Menschen waren verschwunden. Es ist schwierig zu beschreiben, wie sich das angefühlt hatte. Die leeren Strassen. Die Ruhe. Die zahlreichen Militärcheckpoints. Alles wirkte unwirklich - nicht real. Mitten in der Stadt, zwischen den Hochhäusern und in den Gassen war keine Menschenseele weit und breit. Es war wie nach einer Apokalypse. Eine Stadt, die von den Menschen verlassen wurde. Alle im Auto schüttelten ungläubig die Köpfe. Dann widmeten wir uns wieder unserer Mission. Das Unternehmen seiner Frau musste innerhalb kürzester Zeit komplett auf Homeoffice umstellen und allen Angestellten vor Eintreten der kompletten Ausgangssperre die Bildschirme nach Hause liefern. Dies Zeit aber lief gegen uns. Die komplette Ausgangssperre würde in wenigen Minuten oder Stunden durchgesetzt. Mittendrin statt nur dabei Also half ich den beiden - und stand um 03:00 Uhr nachts plötzlich in zahlreichen Wohnzimmern verschiedenster philippinischen Familien. Immer wieder fuhren wir durch Checkpoints der Philippinischen Armee. Die einheimische Ehefrau des Australiers konnte aber auch ohne Sonderbewilligung alles regeln. Nach der letzten Auslieferung fuhren wir ein letztes Mal quer durch die Stadt Richtung Flughafen. Als wir meinen Koffer aus dem Kofferraum gehievt hatten, wollte ich dem Australier die Fahrt bezahlen. Also überreichte ich ihm eine Note etwa im Wert von einem Nachtessen für sich und seine Frau. Er lehnte ab. Nach einem erneuten Versuch von mir legte er mir die Hand auf die Schulter und sagte mit leiser Stimme: „Wenn du in der Schweiz einen Australier triffst, welcher Hilfe braucht. Hilf ihm.“ Mit diesen Worten im Hinterkopf betrat ich den beinahe menschenleeren Ninoy Aquino International Airport. Das Flugzeug hob ab und landete wenige Stunden später in Osaka, Japan. 23/3/2020 0 Comments Blog #10 - Zurück in MakatiGeschichte Chinas China stürzte mehrmals ab, stieg aber jedes Mal wieder auf. Um das Jahr 1000 war das Land sogar der mit weitem Abstand modernste Staat der Erde. 400 Jahre später war China davor, ihr Territorium nach Indien und Afrika auszudehnen. Doch dann wandte sich das Reich völlig überraschend für lange Zeit von der Welt ab - und war durch diese selbst gewählte Isolation schliesslich so geschwächt, dass es dem Ansturm der Kolonialmächte im 19. Jahrhundert nichts entgegenzusetzen hatte. Kurz und knackig Mit gerade mal 15 Tagen war mein Gastspiel in China effektiv etwas zu kurz. Gerne wäre ich tiefer in die faszinierende Geschichte dieses Landes eingetaucht. Nun schlossen aber die ersten Nachbarstaaten ihre Grenzen. Nicht so die Philippinen. Zu gross waren die wirtschaftlichen (und daher auch politischen) Verflechtungen zwischen diesen beiden Ländern. Der Druck auf die Regierung vom philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte stieg merklich - jeden Tag. Und ich? Ich sass mit einem lachenden und einem weinenden Auge in einer nur spärlich gefüllten AirAsia Maschine. Zieldestination Manila. Das würde bestimmt wieder eine gute Zeit werden - dachte ich. Umplatzierung Mit mir an Board war auch mein chinesischer Untergrund-Hacker, sozusagen ein Virus auf zwei Beinen. Dieser aber hatte einen Platz irgendwo in der Mitte der Sardinenbüchse ergattern können. Ich dagegen bekam einen Sitz in der letzten Reihe. Direkt neben mir sass ein filziger Filipino-Musiker: Lange Haare, Rastafari und zahlreiche gelbe, grüne und rote Armbänder. Nach der freundlichen Begrüssung mit der Filzmaus hagelte es Fragen. Nach etwa sieben Folgefragen in weniger als sechzig Sekunden wurde mir bewusst, dass dies noch ein langer Flug werden könnte. Man könnte es auch ein exklusives, 150-Minuten langes Interview über den Wolken nennen. Doch dann geschah ein Wunder. Da es viele freie Sitze im Flugzeug gab, bat mich ein Flight Attendant um eine Umplatzierung in den vorderen Teil der Maschine. Die Erlösung „Selbstverständlich!“, sagte ich ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Ich verabschiedete mich kurz und schmerzlos, packte mein tragbares Hab und Gut und war beinahe schon weg, als ich mit einem Ohr gerade noch hörte, wie der Flugbegleiter die gleiche Frage auch meinem Sitznachbar stellte. Wie aus der Pistole geschossen antwortete dieser: „Selbstverständlich, ich werde mich gleich neben ihn setzen.“ Ich nimm es vorweg. Es waren viele Fragen. Aber da der Flug erst um etwa 03:00 Uhr in der Nacht in Shenzhen abhob, schlief die Maus dann auch relativ schnell einmal ein. Einreise Philippinen Dann, Ankunft in Manila. Auch die Einwanderungsbehörde stellte Fragen, allerdings bedeutend weniger und vor allem auch etwas kühler als Bob Marley zuvor. Ansonsten war die Einreise aber kein Problem. Was mir sofort auffiel war, dass vermehrt Masken getragen wurden. Eine gewisse Angst vor dem Virus lag also auch hier bereits in der Luft. Kein Wunder, alleine in Manila soll es weit über eine halbe Million Chinesen geben. Böse Zungen behaupten sogar, dass Makati unterdessen von den Chinesen eingenommen wurde. Faszinierende Infrastruktur Die Taxifahrt vom Flughafen zur Unterkunft war insgesamt ereignisarm. Ins Auge stach mir aber erneut der Entwicklungsrückstand in Sachen Infrastruktur. Zwischen Shenzhen und Manila liegen effektiv Welten. Ein Strommast z.B., an welchem ich beinahe täglich vorbei galoppierte, war derart schräg, dass man glauben konnte, bereits der nächste Windstoss von einem vorbei rasselnden Jeepney würde ihn komplett zum kippen bringen. Bei uns in der Schweiz ist der Mast ja dafür da, die Stromkabel zu tragen. Beim philippinischen Mast könnte es durchaus so gewesen sein, dass der einzige Grund, warum dieser überhaupt noch stand, die Kabel waren. Grab-Taxi #5 Nach Ankunft in der Unterkunft traf ich mich sogleich mit dem übergewichtigen Untergrund-Chinesen. Dieser würde bald etwas Strandurlaub auf einer der 7641 philippinischen Inseln machen und dabei seinen grossen Reifen in der Sonne bruzzeln. Auf der Fahrt in die Stadt erwischte ich erneut einen überdurchschnittlich gut gelaunten Taxi-Fahrer. Warum ich immer so Glück habe? Hier muss ich aber leider kurz anfügen, dass sich das „überdurchschnittlich gut“ nur auf die ersten drei Minuten bezieht. Weil direkt nach der Frage zu meiner Nationalität liess er einen sogenannten „fragenden Witz“ heraus platzen: „Du bist ja nicht von China?“. „Nein“, antwortete ich ihm lachend. „Und du warst ja auch nicht in China in letzter Zeit?“ fragte er mich im Glauben die Antwort bereits zu kennen. „Doch, ich komme direkt von China. Ich bin erst vor ein paar Stunden hier gelandet.“ Er lachte. Dann lachte er nicht mehr. In diesem Moment wäre ich wohl besser nicht ganz ehrlich gewesen. Er positionierte seine Maske, desinfizierte sein Hände und dann sogar noch das Steuerrad. Im Radio gab der Präsident bekannt, dass sämtliche Flugverbindungen zwischen China und den Philippinen per sofort eingestellt wurden. Für den Rest der Fahrt herrschte eine Stimmung wie nach einer Fischvergiftung. Startup Schmiede Dann, etwa drei Tage nach meiner Ankunft, flog auch noch der Mexikaner ein. Dieser hatte geplant, für einen Monate ebenfalls nach Shenzhen zu kommen, um mit mir das App zu programmieren. Nun versuchten wir unser Startup eben von Manila aus aufzubauen. Unsere Tage sahen meist immer etwa gleich aus. Am Morgen liessen wir uns entweder mit einem Taxi in die Innenstadt transportieren oder trabten die gleiche Strecke zu Fuss entlang der schiefen Strommasten. Zudem nahmen wir einen ersten Anlauf in einem sogenannten Startup-Accelerator (Startup-Beschleuniger) unterzukommen. Und bereits der erste Versuch war erfolgreich. Bei QBO, einer regierungsnahen Startup-Schmiede klappte es. Wir waren etwas überrascht, schliesslich hatten wir nicht einen einzigen Filipino im Team und planten auch nicht die App hier auf den Markt zu bringen. Trotzdem, wir waren drinnen und bekamen kostenlos Internet und Zugriff auf die weiteren Dienstleistungen. Mount Balagbag Am Wochenende dann folgte unser erster Ausflug ausserhalb Metro Manilas. Ein lokaler Insider empfahl uns den Berg Balagbag. Der Tag begann bereits am Morgen um 02.00 Uhr. Der frühe Vogel fängt den Wurm. Die Hinreise selbst war relativ unspektakulär. Den Wurm haben wir aber nicht gefangen, dafür aber das Pferd getroffen. Der grosse Reisecar brachte uns an den Rand eines Dschungels. Danach durchquerten wir diesen in einem Jeepney - die bunt bemalte Blechbüchse. Unsere Edition wurde definitiv in der Zeit vor Christus gebaut und gehörte eher auf den Jeepney Friedhof als auf die Strasse. Für die letzte Etappe hinauf auf den Berg stiegen wir dann in ein "Tricylce" um - ein Motorrad mit angehängter Kapsel - ebenfalls Blechbüchse. In Thailand heissen diese Dinger TukTuk und sind bei den Touristen beliebt. Hier heissen sie nicht TukTuk und werden deshalb gemieden. Rasante Fahrt Um die Geschichte kurz zu halten; die Reise hinauf war kein Problem. Die Wanderung selbst war jetzt kein Bombenhighlight, aber allemal sehenswert. Die Reise hinunter dagegen ist ein eigenes Kapitel wert. Es gleicht ja schon einem Wunder, dass es dieses Ding (Tricycle / TukTuk) geschafft hat, dem steilen Pfad nach den Berg hinaufzukommen. Aber mit dieser Büchse den Berg heil wieder hinunterzukommen war die eigentliche Herausforderung dieses Tages. Oft sind die Tricyles im Inneren thematisch ausgestaltet. Unsere Kapsel war pink, hatte Neonlicht, ein paar farbige religiöse Aufkleber, hängende Plüschtiere auf der Frontscheibe und sogar eingebaute Musik. Dabei wurden indische Balladen in Endlosschleife gespielt. An Stimmung mangelte es bei dieser Fahrt also definitiv nicht. Zudem hatte der Seitenanhänger ja kaum Platz für zwei ausgewachsene Personen. Aber jammer brachte ja sowieso nichts. Wir hatten zuvor gesehen, dass die Filipinos, wenn nötig, diese Dinger auch mit der ganzen Familie samt Hund und Affe fahren. Zu viert den Berg hinunter Kaum ratterten wir los, merkten wir, dass bei uns auch noch ein Kind auf dem Motorrad sitzt. Immerhin war es nicht am Lenker. Das Geld für die Fahrt gab ich dem Fahrer kurz vor Abfahrt sitzend aus der Kapsel hinaus. Ein schrecklicher Fehler, wie sich später herausstellen sollte. Der Fahrer hatte nämlich die glorreiche Idee, mir das Rückgeld während (!) der Fahrt zu überreichen. Das man dem Abgrund entlang derart schnell fährt reicht ja schon. Dass er dabei aber mit einer Hand noch etwas Münz zusammenkratzte, liess mich an den Rand einer Nahtoderfahrung kommen. Die Strategie unseres Fahrers, nicht in den metertiefen Schlaglöchern steckenzubleiben, war es übrigens möglichst schnell darüber zu brettern. Dass sich Babylöwe Simba bis zum Schluss auf dem Hintersitz des Töffs halten konnte, muss definitiv seiner natürliche Begabung geschuldet gewesen sein. Happy Birthday Als wir am Zielort ankamen und mit Freude feststellten, dass wir noch hechelten und alle unsere Glieder noch voll funktionstüchtig waren, empfanden wir es als eine gute Gelegenheit diesen Tag gebührend zu feiern. Schliesslich war es auch noch mein Geburtstag. Da kam dieses All-You-Can-Eat Buffet-Restaurant in der Stadt gerade gelegen: „Vikings - Essen wie ein Wikinger“. Am Geburtstag war dieses für mich kostenlos. Die Feier wurde mir dann aber - für meine Verhältnisse - schnell etwas zu bunt. Das Restaurant hatte nämlich etwa 300 Plätze und 50 Angestellte. Im Inneren ging es zu und her wie in einem Termitenhaufen. Gäste transportierten massenweise Teller hin zum Tisch und der Service diese massenweise wieder zurück. Soweit aber alles normal. Der Kuchen Verdächtig wurde es erst, als mir ein Serviceangestellter ein Blatt Papier hinstreckte und mich bat, meinen Namen für die Dekoration eines Kuchen zu notieren. Da ich, gelinde gesagt, etwas aufmerksamkeitsscheu bin, ist mir alles lieber als ein grosses Tohuwabohu in einem öffentlichen Restaurant. Das Essen, das muss man den Wikinger aber lassen, war Spitzenklasse. Es gab eine riesige Auswahl an Speisen in hoher Qualität. Als ich bei meinem dritten Durchgang vor dem Salatbuffet stand und zufälligerweise meinen Kopf zum Eingang drehte, entdeckte ich durch die Glasscheibe hindurch etwa zwanzig (!) Serviceangestellte - sauber aufgereiht in Reih und Glied. Diese schienen gerade dabei zu sein, in einer Bolognese ins Restaurant loszumarschieren. Der Vorderste hielt ein riesiges „Happy Birthday“-Schild in die Höhe. Dann liess ich beinahe meinen Teller fallen. Als sich mein Kiefer wieder einrenkte, suchte ich verzweifelt nach einem Fluchtweg. Zum Beispiel könnte ich mich auf der Toilette verstecken. Aber wie lange sie wohl auf mich warten würden...? Ich könnte auch einfach dem Anführer-Häuptling sagen, er könne sich wieder umziehen und die ganze Gruppierung auflösen, ich hätte daran keine Freude. Fluchtweg Dann gingen schon die Lichter im Restaurant aus. Ich tappte den Weg zurück zu unserem Tisch. Der Mexikaner sah voller Vorfreude bereits eine Fiesta Mexicana auf uns zukommen. Ich dagegen suchte immer noch verzweifelt nach Möglichkeiten das Ganze zu unterbinden. Dann ertönten verschiedene Happy Birthday Varianten in ohrenbetäubender Lautstärke. Die Bolognese setzte sich in Bewegung. Nun brauchte ich definitiv ein neuerliches Wunder. Ob mein Kontingent nicht langsam aufgebraucht war? Ich mache es kurz: An diesem Tag feierten, inklusive mir, noch etwa zwanzig andere Personen im Saal ebenfalls ihren Geburtstag. Als die Karawane mich erreichte, wurde mir zuerst ein Wikinger-Helm auf den Schädel gepflanzt, bevor mich dann einer dieser Lausbuben mit der Smartphone-Kamera ablichtete, um mir letztlich dann aber einen kleinen, personalisierter Kuchen zu überreichen. Mein Name darauf war übrigens beinahe fehlerfrei geschrieben. Die Angestellten entzündeten die Kerze auf der Zuckerbombe, klatschten und tanzten für einen Happy Birthday Song um den runden Tisch und zogen daraufhin weiter zum nächsten Opfer. Vulkan Pinatubo Aufgrund der positiven Erlebnis der Vorwoche entschieden wir uns in der Folgewoche dafür, diesmal einen Vulkan aus der Nähe anzuschauen. Es war zwar nicht der im Januar explodierte „Taal" Vulkan, aber etwas Ähnliches. Die Anreise zum „Mount Pinatubo“ begann für uns erneut um 02:00 Uhr in der Früh. Der frühe Vogel fängt den Wurm. Nach einer mehrstündigen Busreise entkamen wir dem Beton-Dschungel Manila und stiegen direkt um auf ein Tricyle. Den Wurm haben wir wieder nicht gefangen. Das schöne war aber, dass die Strassen mehrheitlich in gutem Zustand waren und mehrheitlich auch geradeaus gingen. Das Unschöne war: Unser Fahrer hatte wieder den mit Abstand schnellsten Töff in der ganzen Stadt. Mit Abstand. Dieser flog nämlich regelrecht über den Asphalt. Er überholte jedes andere Tricyle ohne überhaupt zuerst in dessen Windschatten kommen zu müssen. Als er dann anfing selbst Lastwagen zu überholen wurde uns klar, dass es die Formel 1 oder die MotoGP hier verpasst hatte, ein philippinisches Talent frühzeitig aufzuspüren. Rekordzeit Das Positive daran war, wir erreichten unser Ziel bereits nach rund 25 Minuten. Und: Aufgrund der Kälte durch den frühmorgendlichen Fahrtwind waren wir für die Hälfte der Fahrt sowieso beinahe betäubt. Von dort ging es dann in ein militärisches Sperrgebiet und hinauf zum Vulkan. Bewaffnete Soldaten begrüssten uns an heruntergekommenen Checkpoints. Da es von da an keine Strasse mehr gab, schüttelte es unsere eingefrorenen Innereien gleich nochmals durch. Letztlich wanderten wir zusammen mit unseren auftauenden Organen und wenig anderen Touristen unter der stechenden philippinischen Sonne für etwa eine halbe Stunde zu Fuss zu einem sehenswerten Vulkansee. Essen mit Pinoy Familie Bei der Familie des Tourguides wurden wir letztlich noch zum Mittagessen eingeladen. Diese erzählte uns, wie arm sie in diesem Dorf doch alle seien und wie das Militär verhindere, dass die Einwohner ihre Häuser reparieren dürften. Beinahe glaubten wir die Geschichte - bis die 8-Jährige Tochter mit einem neueren Smartphone als ich an den Tisch angerannt kam. Auf dem Parkplatz standen zudem etwa sechs 4x4 Toyota Geländewagen, welche auf unsere Nachfrage hin alle der Familie gehörten. Das Gebäude nebenan hatte zudem einen Pool und gehörte ebenfalls einem Familienmitglied. Nach dem durchaus unterhaltsamen Besuch bei der reichsten Familie im ärmsten Dorf, machten wir uns dann aber langsam auf, den Heimweg in Angriff zu nehmen. Die Betonung liegt hier auf „langsam“. Die Fahrt dauerte auf dem Papier drei Stunden. Dichtestress im Bus Der Reisecar war bis auf den letzten Platz gefüllt. Auch den Gang in der Mitte war bis nach vorne zur Fahrerkabine mit stehenden Filipinos besetzt. Der erste Teil der Reise war für den Fahrer keine Anstrengung. Im Gegenteil. Dieser verköstigte sich auf der Autobahn - notabene während der Fahrt - seelenruhig mit einer Pizza. Nach etwa einer Stunde erreichten wir eine grössere Stadt. Der Car leerte sich. Wir bekamen den ersten Sitzplatz direkt hinter dem Fahrer. Dieser Platz bot uns eine wunderbare Aussicht auf das Treiben (Krieg) in den Strassen. Dann füllte sich der Bus wieder. Bevor es aber auf die Schlussetappe zu ging, durchkämmten weit über 100 (!) fliegende Essensverkäufer den bereits total überfüllten Reisecar. Das Chaos im Gang war ein Spektakel für sich selbst. Einige fliegende Händler enterten den Reisecar sogar noch, als dieser mit offener Tür bereits wieder rückwärts aus der Parklücke rollte. Ein Getränkeverkäufer schaffte es dann aber nicht mehr rechtzeitig hinaus und musste - wahrscheinlich zur Strafe - etwa einen Kilometer weit mitfahren. Die Sicherung durchgebrannt An der Eingangstür zum Reisecar hatte es ein grosses Schild, welches zeigte, dass das Betreten für fliegende Händler verboten sei. Zudem waren Nüsse und Eier im Bus nicht erlaubt. Die meisten unserer Sitznachbarn verspeisten mehrheitlich Nüsse und Eier. Dann folgte die wohl aggressivste Fahrt, die ich je in einem Reisecar miterlebt habe. Der Fahrer verlor komplett die Nerven, als die Einfahrt in Metro Manila mal wieder verstopft war. Die Situation eskalierte vollends, als wir uns pro Viertelstunde vielleicht nur noch maximal hundert Meter nach vorne bewegten. Dann riss es dem Fahrer den Geduldsfaden. Und er wiederum riss das Steuer herum, als wäre er in Monaco auf der Rennstrecke. Da die Spurwechsel trotz der niedrigen Geschwindigkeit derart aggressiv waren, mussten sich die Passagiere effektiv auf den Stühlen festhalten. Die Taktik funktionierte aber wunderbar. Sämtliche Fahrzeuge vor uns hatten wohl derart Schiss vor der Amokfahrt, dass sie sich reihenweise auf eine andere Spur retteten. Wenn sie es nicht taten, bedrängte er sie so lange bis sie gehorchten. Problem gelöst. Alter Bekannter Mit uns hat sich aber noch etwas anderes in der Stadt eingenistet. Ein "alter Bekannter" aus China. Genauer gesagt aus Wuhan. Manila meldete eine rapide Zunahme von positiv getesteten Corona Fällen. Plötzlich ging es schnell. Präsident Rodrigo Duterte riegelte die ganze Metropolregion Manila vom Rest des Landes ab. Er bot das Militär auf, sperrte sämtliche Zufahrtsstrassen, schloss über 10 Millionen Einwohner in der Stadt ein und gab den Ausländern 72 Stunden Zeit, das Land über den Flughafen zu verlassen. 27/2/2020 0 Comments Blog #9 - Die Flucht ins ParadiesChina, Guangdong Provinz, Shenzhen Es ist Donnerstagabend, leicht regnerisch. Wir schreiben die Zeit kurz nach 22:00 Uhr. Ausgehungert und ausgemergelt (leicht dramatisiert) erreiche ich die letzte Metrostation in Qinghu. Sofort steuere ich in einen der letzten noch offenen Take-Aways. Es ist ein Burgerladen - nichts Besonderes. Die restlichen Lokalitäten sind entweder bereits das Fest der Ratte am Zelebrieren oder wegen dem Corona-Virus geschlossen. Mit einem freundlichen „Ni Hao“ versuche ich die Dame hinter der Theke in ihrer Landessprache zu begrüssen. Mein Magen knurrt. Also knurre ich zurück. Bald würdest du gefüttert werden, verspreche ich ihm. Speisekarte mit Bilder Dann nahm die Geschichte ihren Lauf. Ich starrte sofort auf die Speisekarte, welche direkt auf der Theke griffbereit lag. Die Bilder darauf halfen mir sehr. Die Dame redete munter auf mich ein. Ob sie meine Begrüssung derart elektrisierte? Also schaute ich nochmals auf und gab erneut ein „Ni Hao“-Laut von mir. Dabei hob ich meine rechte Hand, um dem gesprochenen Wort noch etwas Symbolik zu verleihen. Das funktionierte ausgezeichnet. Sie lachte und sprach gleich danach noch viel mehr mit mir. Im Hintergrund wirbelten die Burger-Falter herum. Flink rannten sie um den grossen Grill. Einer polierte mit einem Lappen die Seitenwände. Dann richtete sich mein Blick erneut auf die verschiedenen Burger-Optionen. Die Dame hinter der Theke verstummte aber nicht. Gäbe sie mir nur 20 Sekunden Zeit, ich würde meinen Finger auf einen der Burger setzen und alle Probleme (von uns beiden) wären gelöst. Chinesische Beschallung Sie gab mir aber keine 20 Sekunden. Und weil ich sie nicht einfach ignorieren konnte, musste ich eben nochmals aufschauen. Sie sagte etwas und winkte mir zu - mit beiden Händen. Echt jetzt? Dachte ich. Nochmals? Ich tat es nochmals: „Ni Hao“, sagte ich. Dabei winkte ich höflich zurück - ebenfalls mit beiden Händen. Dann brach sie - und die Köche, welche ebenfalls die Köpfe über den Grill reckten - in lautes Gelächter aus. Also winkte ich den ihnen ebenfalls zu. Nochmals Gelächter. Wahnsinn - dachte ich. Wie einfach man hier die Leute zum lachen bringen kann. Kurz und schmerzlos werde ich nun auf einen dieser Burger zeigen. Im gestressten Ausscheidungsprozess entschied ich ich für den Burger Hawaii mit Ananas. Als ich den Finger auf das Bild setzen wollte, nahm sie mir die Menükarte weg. Nun gingen bei mir sämtliche Lichter an. Und im Restaurant alle Lichter aus. Auch ihr ständiges Winken mit beiden Händen ergab nun plötzlich einen Sinn. Hungrig zottelte ich aus dem Burgerladen und fand mein abendliches Futtermal etwas später dann doch noch in einer anderen Ecke vom Quartier. Abenteuer Nahrungsaufnahme Dass die Suche nach einem passendes Futterloch täglich ein Abenteuer sein kann, habe ich in China nun schon oft erlebt. Es gibt einige Restaurants, die haben einen sogenannten QR-Code in der Mitte vom Tisch eingebaut. Setzt man sich also an den Tisch, scannt man den Code mit dem Smartphone. Die Menükarte öffnet sich. Man wählt die Gerichte und Getränke - und bezahlt gleich mit WeChat oder Alipay. Ein paar Minuten später wird die Fledermaus-Suppe (Symbolgericht) serviert. Die Kommunikation mit dem Personal entfällt. 棒棒麵 Die Bandbreite zwischen unfassbar gut und unfassbar kurios ist wirklich atemberaubend in China. Das wahrscheinlich beste Nudelgericht der Welt (Biángbiáng-Nudeln) habe ich irgendwo im Nirgendwo gegessen. Speziell sind auch die Schriftzeichen. Die Anzahl der Striche lasse ich euch selbst zählen. Wer die richtige Antwort hat, kann mich gerne kontaktieren. Mit etwas Glück gibt es eine Topfpflanze zu gewinnen. Der Computer kann derart viele Striche nicht oder nur ungenügend anzeigen, daher behilft man sich oft mit phonetischem Ersatz wie 棒棒麵. Metrofahrt mit Corona Angezeigt wurde bei mir eines Tages aber etwas anderes. Das ging so: Meist war ich wie eh und je unverwüstlich entweder im Büro oder auf Erkundungstour in dieser menschenleeren Mega-Metropole. Die Gefahren vom Virus - leidenschaftlich wegignoriert. Es geschah während einer routinemässigen Temperatur-Kontrolle an der Metrostation "Shenzhen University". Zuerst wurde mein Rucksack durch die Scanning-Röhre gelassen. Hinter der Apparatur und den drei Bildschirmen langweilten sich sage und schreibe sieben Chinesen in makelloser Uniform. Bei Kontrolle 157 geschah es... Einer davon nahm mir die Temperatur auf der Stirn. Gerne hätte er auch mal meine Nase untersuchen können, schliesslich war die noch feurig von meinem letzten Mahl. Dann völlig unerwartet - grosse Aufregung. Einer schrie etwas. Hitzige Diskussion setzte ein. Der Mann mit der Temperatur-Pistole versuchte verzweifelt mit mir zu kommunizieren. Die Aufregung aller beteiligten liess nur das schlimmste Befürchten. Ok - dachte ich, Corona hat mich erwischt. Das war's. Aus und vorbei. Feierabend. Mit dem Schicksal Roulette gespielt. Das Glück zu sehr herausgefordert. Das war die Eine Metrofahrt zu viel. In welches abgelegene Lager werde ich nun wohl transportiert werden? Dann - noch mehr Verwirrung. Der Rucksack? Was damit ist? Fragende Blicke überall. Google Translate? Ich öffnete meinen Rucksack. Computer, Sportkleider und Deo. Ah, die Deo-Büchse? Gott, eine derartige Aufregung für nichts? Man hätte auch einfach auf den Rucksack zeigen könne. Vielleicht wollten sie auch einfach mal wieder etwas Arbeit, schliesslich war ich beinahe der einzige Fahrgast. Deo, Corona Imaginare, und ich konnten alle weiterreisen. Aus dem Staub gemacht Als immer mehr Airlines die Flugverbindungen einstellten, nahm ich mit allen zuständigen Personen in meinem Umfeld Kontakt auf. Ich sprach mit der Vermieterin, der Schule, WeWork, meinem Fitness und einigen Kollegen vor Ort, um die Stornierungsbedingungen zu klären oder nach Alternativen zu suchen. Der Österreicher aus WeWork war zu diesem Zeitpunkt bereits abgedampft. Also machte ich mich langsam aber sicher ebenfalls daran, das Weite zu suchen. Letzter Flieger nach... Wohin könnte ich nur flüchten? Ich entschied mich für - *Trommelwirbel* - Manila. Flug gebucht - 2 Tage später Ankunft auf der Insel. Verändert hat sich nichts. Ich bin zurück im Paradies (leicht übertrieben). Das Pferd machte vor Freude die Pesade. Mein Game-Designer - ebenfalls noch vor Ort - bestens gelaunt. Mein mexikanischer Back-end Programmier würde bald ebenfalls einfliegen. Perfekte Voraussetzungen für eine aufregende Zeit. Das war zugegebenermassen ein etwas kurzes Gastspiel in China. Schade auch für das Visa. 15 Tage waren es total - geplant waren mindestens sechs Monate. Aber die Flucht war wohl die richtige Entscheidung. Noch auf dem Weg vom Flughafen zur Unterkunft brach die News herein, dass sämtliche Flugverbindungen von China auf die Philippinen gestrichen wurden. Das war also der buchstäblich letzte Flieger. Das war wiedermal haarscharf. 10/2/2020 0 Comments Blog #8 - Ran an die HaarwurzelDass es ein erster Härtetest werden würde, war mir schon vor dem Betreten des Friseursalons bewusst. Gefunden habe ich diesen auf dem Weg von meiner Unterkunft zur nächstgelegenen Metrostation. Den Namen der Lokalität würde ich euch gerne verraten, kann ihn aber weder aussprechen noch buchstabieren. Nennen wir ihn daher doch stellvertretend einfach „Coiffeur zur goldenen Haarwurzel“.
Auf den Besuch hatte ich mich gut vorbereitet, wahrscheinlich besser als auf jede Schulprüfung. Noch in der Schweiz, direkt nach dem letzten Haarschnitt, fotografierte ich zuhause meine Birne in einem quasi 360-Rundum Panoramafoto. Ich hätte dann einen Musterhaarschnitt zum Vorzeigen, dass würde die Kommunikation mit einem chinesischen Friseur bestimmt erheblich erleichtern - dachte ich mir. Staunende Blicke Hauptziel war es übrigens, um jeden Preis nicht mit einem Dikatorenschnitt à la „Kim Jong-un“ aus der goldenen Haarwurzel herauszukommen. Sollte aber möglich sein, schliesslich war ich ja in China und nicht in Nordkorea. Also wagte ich mich rein: Zuerst grosses Staunen - ooooh, uuuuh. Dann grosse Unsicherheit - hat sich da ein Weisser verlaufen? Wer hilft ihm? Ein Kunde rollte auf dem Stuhl sitzend dem Coiffeur davon, um vom hinteren Teil der Räumlichkeiten aus ebenfalls noch einen Blick auf mich werfen zu können. Ein weiterer Kopf beugte sich schüchtern um eine Topfpflanze herum. Unter den Angestellten wurde ausgejasst, wer mich in Empfang nehmen könnte. Also schickten sie denjenigen mit den besten Englischkenntnissen. Witz - diesen gab es natürlich nicht. Also schickten sie den Mutigsten. Das aber brachte auch nichts. Als sie merkten, dass ich das Ganze durchaus mit Humor nehme, lockerte sich die Stimmung relativ schnell. Ich machte mit Zeigefinger und Mittelfinger die bekannte Schere über meinem Haupt und deute dabei auf mein Haar. Dann wurden mir - selbstverständlich auf Chinesisch - von allen Seiten nochmals viele Fragen gestellt. Jeder dachte, mit seinem Chinesisch könnte ich es möglicherweise doch noch verstehen. Furchtloser Knopf Letztlich wurde ich dann auf einen Stuhl gepflanzt. Spannungsgeladen fieberte ich der Ankunft der Schere entgegen. Diese kam aber nicht. Stattdessen kam ein kleiner Lausbub mit Pilzfrisur angerannt. Voller Selbstvertrauen blieb er neben mir stehen, schaute mir in die Augen, wartete für zwei Sekunden und schrie dann in maximaler Lautstärke „Okay!“. Dann galoppierte er von Freudigkeit erfüllt zurück zu seiner Mutter. In diesem Moment wusste ich nicht, ob ich mich über seinen aufgebrachten Mut mit mir Englisch zu sprechen freuen oder mich doch eher vor einem drohenden Pilzhaarschnitt fürchten sollte. Also schwing ich mich auf dem Drehstuhl einmal um die eigene Achse und streckte ihm den Daumen hoch, worauf er vor Freude fast die Wände hochging. Waschanlage Wieder wartete ich auf die Schere und ihr Herrchen. Was aber ankam war eine chinesische Dame. Es folgte nicht der erste Schnitt sondern eine kleine Haarwasch-Zeremonie. Das kenne ich aus Europa - dachte ich mir. Im Waschraum fand ich aber keine Stühle vor, auf welchem man seinen Nacken platzieren und den Kopf nach hinten biegen konnte. Stattdessen waren da ganze Liegen (Bild unten) und am Ende dann sowas wie ein Waschbecken. Da liegst du also wortwörtlich flach wie auf einer 3-Grad Physioliege. Dann begann die eigentliche Zeremonie. Wasser, Seife, Kopf-Massage. Danach mehr Wasser, mehr Seife, und noch mehr Massage… Nach zehn Minuten dachte ich, jetzt sind wir höchstwahrscheinlich im Endspiel. Es war der Auftakt. Was hier geschrubbt, gerieben und einshampooniert wurde, kenne ich derzeit nur aus den chinesischen Metros. Langsam bekam mich ein ungutes Gefühl, wenn das noch lange so weiter geht, würde sie bald meine aufgeweichte Schädeldecke durchdringen. Nach nahezu dreissig Minuten durfte ich wieder aufstehen und fühlte mich in etwa wie eine Katze, welche in den Schleuderdurchgang einer Waschmaschine geraten war. Auf dem Stuhl konnte ich mich dann aber erholen und bekam ein warmes Glas Wasser. Schwierige Kommunikation Dann endlich erschien ein (exzentrisch gekleideter) Coiffeur hinter mir. Dieser „besprach“ mit mir den geplanten Haarschnitt. Die Geräusche, welche wir beide von uns gaben, hätten auch von exotischen Tieren stammen können. Da es mit Tönen nicht funktionierte, zeigte ich ihm die Bilder auf meinem Smartphone. Diese interessierten ihn aber nicht. Das war der Moment, in dem ich mental resignierte und die weisse Fahne wedelte. Gewissensbisse plagten mich. Die Schere setzte an - schnippelte aber nicht. Stattdessen wollte er dann doch nochmals die Bilder sehen. Licht am Ende des Tunnels. Ich zog die Fahne wieder ein. Ob er jetzt doch auf die Dikatorenfrisur verzichten würde? Dann ging es los. Alles wurde mit der Schere erledigt. Die elektrische Haarschneidemaschine kam nicht zum Einsatz. Und es wurde wirklich gut. Das Kunstwerk dauerte aber auch einen halben Morgen. Immer wieder schnippelte er nochmals etwas hier und nochmals etwas da. Ob er die absolute Perfektion anstrebte? Der finale Schliff Es konnte sich wirklich nur noch um Sekunden handeln. Alle Seiten hatte er mindestens vier mal bearbeitet. Hinter mir flitzte der Pilz umher und über die leeren Coiffeurstühle. Dann griff mein Coiffeur nach der Haarschneidemaschine. Zum Abschluss, dachte ich, würde er noch den Nacken rasieren - das kenne ich. Die Maschine fing an zu rattern. Statt an den Nacken ging er mir aber an die Stirn. Er setzte an unterster Stelle der ersten Haarreihe an. Im gleichen Moment fiel mir das Herz in die Hose. Er würde mich doch nach einer einstündigen Operation nicht einfach kahl scheren wie ein Schaf? Bevor ich etwas sagen konnte, fielen die ersten Haare. Wie ein philippinisches Pferd ausschlagen konnte ich aber auch nicht, sonst würde auch noch die zweite Garde Haare fallen. Also liess ich es über mich ergehen. Wieder Gewissensbisse. Hat sich vielleicht meine Schädeldecke verschoben, und er versucht jetzt verzweifelt zu retten, was es noch zu retten gibt? Dann realisierte ich, was gerade geschah. Er bearbeite effektiv nur die vordersten Haare meiner Stirn, um die Linie von den Scheitelpunkten links und rechts gerader zu machen. Die goldene Haarwurzel strebte nach der absoluten Perfektion. Und fand diese. Kamera - bitte lächeln! Ebenso beeindruckend sind übrigens die Eingänge zu meinem Fitnesscenter im Stadtzentrum von Shenzhen. Dort öffnen sich die Eingangsschleusen durch Gesichtserkennung. Man muss weder eine Karte, noch das Smartphone oder sonst etwas aus den Taschen kramen, sondern kann einfach durchlaufen. Danach folgt zwar aus ausserordentlichen Gründen noch die Temperaturkontrolle auf der Stirn, aber mit einer derart geraden Haarlinie halte ich meinen Kopf noch so gerne hin. Das Trainieren mit der Maske ist unterdessen aber obligatorisch. Auf dem Laufband rennen ist da definitiv keine Freude mehr. Nach dem Vulkanstaub in Manila, dem Virus in China und dem Schweiss vom Fitness ist meine Maske unterdessen sowieso am Rande der Belastungsgrenze angekommen und gehört ersetzt. Chinesische Internet-Mauer Genau so ersetzen musste ich übrigens meine sogenannten VPN-Anbieter. Da in China viele Websites, wie zum Beispiel Google und Facebook, blockiert sind, muss man die Chinesische Firewall irgendwie umgehen. Vereinfacht gesagt täuschen VPNs vor, dass man in einem anderen Land sitzt. In den ersten Tagen hatte das alles noch wunderbar funktioniert. Doch dann kam das chinesische Neujahr. Von verschiedenen lokalen Kontakten habe ich vernommen, dass die Regierung um diese Feiertage die VPN-Anbieter vermehrt bekämpft und die Programme lahmlegt. Nach mehreren Tagen in der beinahe Offline-Welt installierte mir dann ein übergewichtiger chinesischer Hacker aus der Unterwelt eine Lösung, welche auch in diesen schwarzen Tagen funktionierte. Als Dank ging ich mit ihm essen. Daran hatte er enorm Freude. Das erkannte ich daran, dass er nahezu 50% der verfügbaren Gerichte auf der Karte orderte. Und chinesische Speisekarten sind ja bekanntlich nicht gerade klein. Beinahe wollte er mir noch eine Hühnerkralle unterjubeln. Dank meiner Nachfrage nach einer detaillierteren Übersetzung konnte ich das aber gerade noch verhindern. Nach dem Essen war ich wie gemästet. Als wir dann mit überfüllten Mägen im WeWork-Büro erschienen und uns gerade auf das Sofa fallen liessen, kam die Nachricht rein, dass wegen dem Virus auch dieses Büro am folgenden Tag die Pforten für unbestimmte Zeit schliessen würde. Weitere Hiobsbotschaften Ebenso kam die Meldung rein, dass meine Sprachschule wegen dem Virus die Klasse nicht wie geplant Anfangs Februar beginnen kann. Obwohl nur auf Ende des Monats verschoben, ist nicht klar, wann und wie es weitergehen wird. Dann brachen im Tagesrhythmus Neuigkeiten hinein, dass Airlines sämtliche Verbindungen nach China bis auf Weiteres aufgeben. Die Schlinge schien sich langsam zuzuziehen. Auch ich machte mich daran, mir verschiedenste Optionen auszumalen. Ob es tatsächlich eine Flucht aus China wird? Corona-Virus
Aus bestens unterrichteter Quelle habe ich erfahren, dass einige Leser für diesen Blog doch tatsächlich ihr komplettes Pandemieset aus dem Keller geschleppt haben und nun in gelber Vollmontur und mit summendem Anti-Virus-Program im Hintergrund auf diesen Beitrag warten. Diesen Leuten kann ich nur ein Kränzchen winden. Ich zum Beispiel hätte die Ankunft der Epidemie in Shenzhen nämlich um ein Pferdehaar verpasst. Bereits der Vulkanstaub in Manila rieselte mir beinahe durch die Lappen - und nun das noch. Die Ankunft des Virus Das ging folgendermassen: Wie bereits vor ein paar Wochen beim Taal-Ausbruch auf den Philippinen sass ich auch diesmal wieder hoch oben in einem Wolkenkratzer. Kaum war ich nämlich in Shenzhen angekommen, trieb es mich direkt in den sogenannten High-Tech-Park. In diesem ultra-moderner Stadtteil haben sich zahlreiche Technologiefirmen niedergelassen. Hier reihen sich Hochhäuser an Hochhäuser. Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten gibt es so weit das Auge reicht. Jede Shoppingnudel würde hier vor Freude direkt in die Glastür rennen. Also mietete ich mich erneut in einem WeWork-Büro ein und kam noch in der ersten Stunde mit einem jungen, geschäftlich-motivierten Deutschen und einem noch jüngeren, geschäftlich-motivierten Österreicher in Kontakt. Diese zeigten mir dann noch vor dem Nachtessen die nähere Umgebung und klärten mich über die wichtigsten Gepflogenheiten in China auf. Man könnte es durchaus einen Traumstart im neuen Land nennen. Das war aber damals. Das war vorletzte Woche. Der Wendepunkt Bereits am dritten Tag nach der Ankunft setzte sowas wie ein gewisser Arbeitsrhythmus bei mir ein. Aufgrund meines Visums darf ich nur 180 Tage in China bleiben, also möchte ich das Maximum daraus machen. Dann aber kam Tag X. Ich war produktiv, ich war speditiv, und alles lief perfekt. Es wurde Abend, dann später Abend und letztlich Nacht. Und weil meine Kontakte in Europa wegen der Zeitverschiebung durchgehend online waren - blieb ich es halt auch. Wir diskutierten, analysierten und debattierten über die nächsten Schritte beim Aufbau von unserem neuen Startup. Die Internetverbindung war mit weit über 100 MB pro Sekunde weiterhin schnell und stabil. Weiterhin spürte ich keine Anzeichen von Müdigkeit. Die Uhr tickte in atemberaubendem Tempo. Die Zeiger ratterten und brummten. Dampf stieg auf. Und dann war es plötzlich Morgen. Was ich zu dieser Zeit aber nicht wusste war, dass der Virus nun definitiv in Shenzhen angekommen ist. In der Zwischenzeit wurde nämlich das Personal unten beim Gebäudeeingang mit Fieber-Messgeräten ausgestattet. Jeder eintretenden Person wurde mit einer Mess-Pistole (Bild unten) die Temperatur auf der Stirn gemessen. Das da noch einer da oben im Turm sitzt, mit dem hatten die Chinesen wohl nicht gerechnet. Erst ein Kollege informierte mich dann über die neuen Eingangskontrollen vor unserem Gebäude. Schlussendlich wurden Masken verteilt und das Personal gab uns Empfehlungen, wie wir uns am Besten verhalten sollten. Kurz zusammengefasst sagten sie: Zuhause bleiben. Frohes Frühlingsfest Auch meine Vermieterin informierte mich freundlicherweise über die Existenz des Virus. Hier das Originalzitat von ihr ins Deutsche übersetzt: „Das chinesische Neujahr ist da. Ich wünsche Ihnen ein frohes Frühlingsfest und ein glückliches Jahr der Ratte. Bitte tragen Sie beim Ausgehen eine Maske!“ Also habe ich ihr ebenfalls ein glückliches Jahr der Ratte gewünscht. Das braucht sie dringend. Sie sitzt in Wuhan bei ihrer Familie fest. Am Nachmittag dann wurden wir informiert, dass der ganze Wolkenkratzer für mindesten eine Woche geschlossen wird. Anscheinend wurden fünf Fälle in direkter Umgebung registriert. Das Virus sitzt uns regelrecht im Nacken. Als Alternative - sollten wir das Arbeiten einfach nicht lassen können - wurde uns dann aber doch noch ein zweites WeWork-Büro in einem anderen Gebäude in Shenzhen empfohlen, deren Pforten noch geöffnet sind. Hier liegt die Betonung auf "noch". Die Situation spitzte sich in der Stadt aber zunehmend zu. Unterdessen wird an jeder Metro-Station jedem Fahrgast die Temperatur gemessen. Ebenso bei Eingängen zu Einkaufszentren, öffentlichen Gebäuden, Hochhäusern, Café’s, aber auch im Fitnessstudio. Heute wurde mir sogar buchstäblich während dem Essen in einem Restaurant das Fiebermess-Gerät an die Stirn gehalten. Da wollte ich gerade mit einer Gabel die Fledermaus aufstechen und zack hatte ich die Pistole am Kopf. Ok, der zweite Teil stimmt nicht ganz. Aber das die Messung während dem Essen erfolgte, ist wirklich so geschehen. Bei dieser Gelegenheit würde ich aber gerne auch noch anfügen, dass ich diese Massnahmen zu 100% unterstützte. Kontrollen an jeder Ecke An einem normalen Tag werde ich - je nach Aktivität und Tagesprogramm - zwischen fünf und fünfzehnmal mal kontrolliert. Neuerdings wird auch an der Einfahrt zu meinem Wohnquartier gemessen. In der Metro ist das tragen der Maske obligatorisch. Aber auch auf den Strassen sind, mit ganz wenigen Ausnahmen, keine Personen mehr ohne Maske zu sehen. Die Stadt selbst wirkt wie verlassen. Auf den Strassen ist weiterhin kaum Verkehr zu sehen. Die Metro ist leer. Der Bahnhof wie ausgestorben. Die allermeisten Restaurants sind seit den Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahr noch immer geschlossen. Das Fest der Ratte hätte also wirklich etwas positiver beginnen können. Was aber nicht heissen soll, dass man dabei nichts erzählenswertes erlebt. Zum Beispiel war da noch mein Termin bei einem chinesischen Friseur. Was kann da schon schiefgehen? 25/1/2020 0 Comments Blog #6 - Die erste ErkundungstourNächtlicher Zimmerbezug Es war tiefste Nacht oder bereits früher Morgen, als ich am Zielort von dem mit Chinesen vollbesetzten Taxi abgeladen wurde. Ich bedankte mich artig und zottelte mit meinem Koffer in der Hand eine verdächtige Seitenstrasse entlang. Dabei verglich ich alle Hausfassaden mit denen auf den Fotos. Könnte sein, dass ich am richtigen Ort bin. Es könnte aber auch sein, dass ich es nicht bin. Dann knipste ich ebenfalls ein Foto der Umgebung und verschickte es an meine Vermieterin der Unterkunft. Tatsächlich kam nur Minuten später eine Tante von ihr mit einer Schlüsselkarte angerannt. Hier liegt die Betonung auf „angerannt“. Zu meiner Überraschung war der Hauseingang zum Wohnblock eine Lifttür. Davor blieb die Tante stehen. Sie schickte mich hinein, deutete mit dem Finger auf die Nummer der Karte und sprach ein paar Sätze auf Chinesisch. Dann fing sie an zu winken. Die Lifttüren schlossen sich. Ich stand im Lift - sie draussen. Das war also die Schlüsselübergabe. Alles kein Problem Der Lift lupfte mich in den fünften Stock. Hier irgendwo muss die Wohnung also sein. Sekunden bevor ich die Türe zum Apartment öffnete, vibrierte es in meiner Hosentasche. Die Vermieterin liess mich noch wissen, dass das Zimmer ein kleines bisschen anders sei als bei der Buchung präsentiert. Ich wagte mich trotzdem hinein. Dann, der erste Rundgang: Die Matratze - fast so hart wie ein Betonpfeiler. Die zwei flinken Käfer im Badezimmer - liquidierte ich mit einem gezielten Badelatschen-Schlag. Bei mir wohnt nur wer Miete bezahlt und das taten sie offensichtlich nicht. Auch ein paar andere Kuriositäten entdeckte ich auf meiner Zimmer-Safari. In einer Ecke war ein Hula Hoop Reifen und eine Yoga-Matte bereitgelegt. Auf der anderen Seite stand ein Ersatz-Reiskocher. Das Apartment war keine Katastrophe, soviel sei gesagt. Aber - und das schleckt auch keine Geiss weg - es war nicht das gebuchte Zimmer. An dieser Stelle muss ich meine hellseherischen Fähigkeiten meiner Mama loben, welche im Stile von Baba Wanga das ganze bereits vor Wochen vorausgesagt hatte. Am darauffolgenden Tag (Nachmittag/Abend) kam die eine Tante dann sogar mit einer zweiten Tante bei mir vorbei. Das Doppelpack sprach mit mir auch etwa doppelt so viel Chinesisch. Sie gaben mir ein neues Zimmer, welches dem gebuchten Zimmer schon etwas mehr ähnelte und etwas weniger Kleintiere beheimatete. Das Highlight: Die Matratze gibt beim Liegen nun sogar ein paar Millimeter nach. Morgendliche Erkundungstour Am nächsten Morgen dann wagte ich mich hinaus in die Wildnis. Ich lief einmal die Strasse hoch und dann die nächste Strasse wieder runter. Direkt nach der ersten Kurve lief vor mir eine Mutter mit ihrem Kind an der Hand. Der Knirps drehte sich um, entdeckte ein neues Wesen in seinem Viertel - und zeigte dabei mit dem Finger direkt auf mich. Hier wurde mir ein erstmals klar, was für eine Rarität ich in dieser Gegend wohl bin. So muss sich das Pferd in Manila tagtäglich fühlen. Ich wohne nun in „Qinghu“. Diese Gegend ist mit der Metro etwa eine halbe Stunde vom Stadtzentrum in Shenzhen entfernt. Weil ich die Beschilderung schlicht nicht lesen kann, war die Erkundungstour in meinem Viertel effektiv etwas schwieriger als an anderen Orten. Da laufe ich doch wahrhaftig tagelang direkt an einem riesigen Supermarkt vorbei, ohne diesen als solchen zu erkennen. Der Supermarkt hat sich nämlich in einem Untergeschoss ausgebreitet und auf dem Logo fehlte das Symbol vom Einkaufswagen oder dergleichen. Gehörlos im Supermarkt Im Untergeschoss ging dann effektiv eine neue Welt für mich auf. Bevor ich darin aber letztlich auch eintauchen konnte, wollte mich eine Angestellte noch zu einem Download der hauseigenen Supermarkt-App bewegen. Da ich nicht wusste, ob das vielleicht einer dieser Läden ohne bediente Kasse war, musste ich mich wohl oder übel auf ein Gespräch mit ihr einlassen. Dann folgten Szenen die aus einem Theater hätten stammen können. Im ersten Akt sprach die Frau direkt mal munter darauf los. Auf Chinesisch. Sie sprach ohne Punkt und Komma und als wäre ich ganz einer von ihnen. In dieser Zeit spielte ich den gehörlosen Touristen und aktivierte gleichzeitig das Übersetzungstool auf meinem Smartphone. Im zweiten Akt - und weil sie dann doch noch merkte, dass ich kein Chinesisch verstand - hatte sie die glorreiche Idee, mir das ganze aufzuschreiben - auf Chinesisch. Was sie sich dabei gedacht hatte, weiss ich bis heute nicht. Tief im Supermarkt Die nächste Verwirrung folgte sogleich. Im Supermarkt selbst war ich mir nämlich für einen kurzen Moment nicht mehr ganz sicher, ob ich hier in der Fischabteilung oder doch vielleicht in einer Zoohandlung gelandet bin. Mein tieferer Grund für den Besuch im Supermarkt war aber sowieso kein totes, halb-totes, oder halb-lebendiges Tier. Da ich unterdessen ein passendes Fitnesscenter im Stadtzentrum gefunden hatte, kämpfe ich mit einem überhöhten Bedarf an Duschtüchern. Um diese Spannung durch einen Zukauf etwas zu lindern, irrte ich nun suchend um die Regale. Doch selbst nach zwei Durchgängen konnte ich keine Tücher orten. Mit der passenden Übersetzung auf dem Smartphone bereits in den Händen, näherte ich mich einem Angestellten der Zoo - ich meine - der Lebensmittelabteilung. Dieser - hilfsbereit wie alle Chinesen mit denen ich bisher in Kontakt gekommen war - konnte mir aber nicht helfen. Auf seinem Scanning-Gerät sah er aber, dass der Artikel zwar im Angebot existierte - allerdings nur online. Dann empfahl er mir noch eine App zum Download. Er tippte mir den Namen auf Chinesisch ein und übersetzte es mit „Box a horse“. In Gedanken kurz auf den philippinischen Strassen, war ich dann aber gleich wieder zurück beim Tierpfleger. Oder beim Fischverkäufer. Auch hier bedankte ich mich höflich für den Tip, musste den Laden aber letztlich unverrichteter Dinge wieder verlassen. Knurrender Magen Nach all den Fischflossen, Hühnerfüssen und Schweineschwänzchen vor Augen, knurrte bei mir alsbald mal die Nase. Auf der Suche nach einem passenden Restaurant sah ich durch die Scheiben hindurch dieses klassische, chinesische Buffett. Zielstrebig und voller Optimismus ging ich hinein. Etwa zwanzig verschiedene Gerichte, von Gemüse bis Fleisch, waren makellos präsentiert und warteten nur so darauf verschlungen zu werden. Letztlich war es auch ziemlich einfach für mich, das Gericht auf diese Weise auszuwählen. Schliesslich musste ich lediglich mit dem Finger auf den richtigen Behälter zeigen. Kein Problem also. Ich zeigte auf das Hühnchengericht und nahm beim Essen dann die Gräte aus dem Mund. Auch die Tagessuppe, welche im Preis inbegriffen war, versetzte mich in eine Art kleine Schockstarre. Diese war nämlich derart trübe, dass ich mir nicht mehr ganz so sicher war, ob das jetzt eine Suppe oder eine Art Behälter zum versenken und aufweichen des dreckigen Geschirrs war. Erst als dann die Chinesen hinter mir angestürmt kamen und voller Zuversicht mit grosser Kelle ihre Suppenschalen auffüllten, wagte ich mich auch an den grossen Topf. Dann tauchte darin plötzlich eine Qualle auf. Es war nur eine Zwiebel. Es hätte aber sein können. Seit ich von der Fledermaus-Suppe in Wuhan gehört habe, schockiert mich hier so schnell überhaupt nichts mehr. Nächste Woche gibt es vermutlich dann eine China-Virus-Spezialedition von mir zu lesen. Ich empfehle euch daher meine Website ab diesem Zeitpunkt nur noch mit einem Mundschutz zu besuchen. Bis dahin alles Gute und wascht die Hände. 22/1/2020 0 Comments Blog #5 - Manila nach ShenzhenNach Manila Airport
Nochmals eine letzte Taxifahrt zum Flughafen. Da wird bestimmt nichts spannendes mehr passieren, dachte ich mir. Der Fahrer, selbst keine 30 Jahre alt, war aber gesprächig wie ein alter Fischverkäufer. Also packte ich, auf der Hinterbank sitzend, mein Laptop wieder in den Rucksack und beantwortete unaufgeregt seine etwa 79 Fragen. Meine höchste Aufmerksamkeit war verlangt, denn sein Englisch war nur sehr schwer verständlich. Wer sich jetzt aber bereits auf eine packende Geschichte mit einem weiteren philippinischen Taxifahrer gefreut hatte, der sehe sich hiermit offiziell von mir getäuscht. Weisse Haut Ausser vielleicht der noch erwähnenswerte, weil ungenügend getarnte, Verkupplungsversuch. Wollte er mir doch tatsächlich seine Nichte andrehen. Oder zumindest jemanden in dieser Art. Auf jeden Fall, an das hingegen mag ich mich noch genau erinnern, habe die Dame wunderschöne, weisse Haut. Sagte er. Mehrmals. Als er sich etwa zum fünften Mal nahezu gebetsmühlenartig wiederholte, versicherte ich ihm eben erneut, dass ich seine Worte längst verstanden hätte. Daraufhin zeigte er mir dann ein Foto auf seinem Smartphone - von ihr. Ich wünschte mir in diesem Moment nichts sehnlicher, als das er seine Augen wieder verstärkt auf den Asphalt und dessen darauf rollenden Räder und trabenden Hufen konzentrieren würde. Schlussendlich aber belobte ich dann doch die schöne, weisse Haut dieser Frau, hoffte aber insgeheim, dass die Sache damit beendet sei. Kaum ausgesprochen, folgte sogleich eine Live-Schaltung mit ihrer Mutter. Als ich die Situation dann endlich erkannte, rollten wir glücklicherweise schon beim Flughafenterminal ein. Man weiss selten, was Glück ist, aber man weiss meistens, was Glück war. Flugzeug voller Chinesen Zur Feier dieses Tages und auf Grund der Freude über das rege Interesses an meiner Person, erachtete ich diesen Moment als eine einmalige Gelegenheit, meinen Aufenthalt in den Philippinen bei einem guten vormitternachtlichen Nachtessen ausklingen zu lassen. Also spazierte ich, in Gedanken versunken über die Beinahe-Hochzeit, den zahlreichen Verpflegungsmöglichkeit in der riesigen Abflughalle entlang. Ich hielt nach Restaurants Ausschau, welche ich noch nicht kannte, auf der Karte ein möglichst gesundes Angebot zur Auswahl hatten und welche mich etwas inspirieren könnten. Bis ich sie vor mir sah. Die heiligen Eingänge von Jollibee. Also ging ich rein. Der Kater lässt das mausen nicht. Danach war es bereits Mitternacht. Das Flugzeug hob ab und mit mir ein ganzer Flieger voller Chinesen. Was mir dabei auffiel war, wie oft die Flight-Attendants zuvor durch den Catwalk in der Mitte patrouillieren mussten und die Passagiere dabei aufforderten, sich doch bitte anzuschnallen. Über die Sitze gepeilt schätzte ich, brauchten sie beinahe sieben Durchgänge. Immer wieder klickte es von Neuem. Erster Kontakt Der junge Chinese neben mir aber war demzufolge geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie es eigentlich gehen müsste. In unserer Reihe gab es nämlich absolut keine Beanstandungen. Also entspannte ich mich, liess mich in den flauschigen (echt jetzt?) Sitz gleiten, und versank meine Gedanken in einer Biographie. Die Flugzeit von wenigen Stunden war perfekt dafür. Dann aber, etwa in der Mitte des Fluges, brach das Eis zwischen uns. Wir versuchten beide verzweifelt ein Gespräch miteinander aufzubauen. Sein Englisch aber war äusserst bescheiden. Von meinem Chinesisch wollen wir schon gar nicht reden. Bei der Frage woher ich komme, blieben wir dann definitiv stecken. Bei der Antwort „Switzerland“ merkte ich wie es in seinem Kopf ratterte. Und ratterte. Ich konnte es förmlich hören. Irgendwie konnte er das Land einfach nicht richtig zuordnen. Auch die Nachbarländer schienen keinen Funken in ihm zu zünden. Italy? Germany? Switzerland Dann kam mir ein Geistesblitz. Ich warf das Chinesischen Wort für „Schweiz“ in die Runde: „Ruischi“. Noch in der gleichen Sekunde haute es ihn aus dem Sitz. Wäre er nicht angeschnallt gewesen, es hätte ihn an die Flugzeugdecke geknallt. Alle Lichter gingen an. Er verbeugte sich sitzend. Mit sowas hatte er nicht gerechnet. Ich eigentlich auch nicht. Daraufhin folgte die Lobeshymne über die Schweiz. Die Berge, die Luft, die Kühe… Ich konterte diese dann mir meiner Euphorie über China. Das unfassbare Wirtschaftswachstum, das Essen (RIP meine Nase), die reiche Kultur. Kurz nach der Landung und noch im Flugzeug, folgte das obligatorisches Selfie und der Austausch der Nummern für "WeChat", das chinesische Whatsapp. Menschentraube Um ca. 3:00 Uhr dann betrat ich definitiv chinesischen Boden. Die Einreise war kein Problem. Ein paar Fingerabdrücke hier und da. Fertig. Um ehrlich zu sein, man musste die ganze Hand einscannen. Also, beide Hände. Die Daumen dann auch noch - separat. Und das Gesicht - bitte lächeln (stimmt nicht) - auch. Allerdings lief alles speditiv in weniger als drei Minuten. Und alles komplett ohne anstehen zu müssen. Dann aber, kurz vor dem Ausgang, musste man das Gepäck nochmals röntgen. Weil nur eine Röhre geöffnet war, bildete sich davor eine lange Menschentraube. Als ich ankam, war ich der Hinterste. Hinter mir folgten weitere Chinesen. Ich schaute kurz auf den Boden und dann wieder hoch. Als ich erneut einen Blick nach hinten warf, war ich immer noch der Letzte. Das muss man erstmal verdauen. Taxigeschichte #1 in China Um ca. 04:00 Uhr schaffte ich es noch, direkt im Flughafen eine Sim-Karte zu kaufen. Schliesslich musste ich danach für die Schlüsselübergabe mit der Vermieterin der Unterkunft Kontakt aufnehmen. Noch innerhalb der Hallen vom Flughafen kamen mehrere Chinesen wortwörtlich angerannt. Und alle wollten sie mich in ein Taxi locken. Bei den ersten drei Vermittlern wedelte ich noch höflich ab. Als ich andere Touristen sah, die auf die Angebote eingingen, verhandelte ich mit dem Vierten. Bei diesem eklatanten Überangebot an Taxis schien mir die „Angebot/Nachfrage-Situation“ relativ günstig auf meiner Seite zu liegen. Ich drückte den offerierten Fahrtpreis um rund 50% nach unten und klopfte mir dabei später selbst auf die Schulter. Nur widerwillig willigte der Taxi-Vermittler dazu nämlich ein. Zu diesem Preis, so die neuen Konditionen, könne ich aber nicht ein Taxi für mich alleine haben. Als wir dann in schnellen, chinesischen Schritten aus dem Flughafen hinaus in Richtung einer Seitenstrasse marschierten, näherte ich mich offensichtlich dem wartenden Zielfahrzeug. Alles geschah in atemberaubendem Tempo. Beim Chinesen war nicht ein Hauch von Müdigkeit zu erkennen. Der Kofferraum wurde mir aufgerissen. Also warf ich mein Gepäck in ähnlicher Hektik rein. Keine Zeit verlieren. Kofferraum zu. Ich, linke Hintertür auf. Platz besetzt. Ich, rückwärts, im Marschschritt erneut am Kofferraum vorbei, zur rechten Hintertür. Tür auf. Platz auch besetzt. Also liess ich mich neben dem Fahrer auf dem Beifahrersitz nieder. Was auf der Rückbank sass war aber nicht ein Chinese, auch nicht zwei, sondern drei. Das Auto war voll mit Chinesen. Englisch sprach Keiner. Kein Wort. Aber das Zielort habe ich trotzdem erreicht. Letzter Tag auf den Philippinen Es ist nun bereits der letzte Tag von meinem Aufenthalt in Manila. Um Punkt Mitternacht dann sollte der Flieger nach Shenzhen (China) fliegen. Doch gerade in den letzten beiden Wochen habe ich ein ganz anderes Manila kennengelernt. Die Entscheidung, damals, am aller ersten Montag vom Aufenthalt, effektiv aus meinem Elfenbeinturm zu steigen und mich in einem Co-working Büro in Makati (Metro Manila) niederzulassen war die wohl beste Entscheidung von diesem Jahr. Ich habe über 10 neue Personen kennengelernt. Darunter ein Game-Designer, ein Software-Engineer und ein Suchmaschinen-Optimierer. Dazu knüpfte ich Bekanntschaften mit einigen Leuten aus verschiednen Marketingabteilungen. Viel wichtiger aber; ich glaube ich habe einige neue Freunde gefunden. Wie alles angefangen hat... Angefangen hat alles mit einer simplen Suchanfrage in der Datenkrake "Google". Coworking war dabei das Schlüsselwort. So simpel das nun klingt, so eindeutig waren die Resultate. Auf der Karte zeigten nahezu alle Suchanfragen nach "Makati". Makati gehört zur Metropolregion um die Stadt Manila. Per Taxi ist die Stadt in etwa 30 Minuten erreichbar. Hier reihen sich Hochhäuser an Hochhäuser. Hier spielt das Leben. Makati ist ein riesiger Business-Distrikt und die wirtschaftliche Lebensader der Stadt mit tausenden Restaurants und zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten. WeWork Also verglich ich sämtliche Websites der verschiedenen Co-working-Anbieter. Diese offerieren alle in etwa dasselbe. Meist sind das Arbeitstische und eine schnelle Internetverbindung. WeWork, als Beispiel, hat über 600 Standorte auf der ganzen Welt und ist 24 Stunden am Tag geöffnet. Dabei kümmern sie sich um alles rund ums Büro. Sie nehmen bei bedarf die Post entgegen, sorgen dafür, dass die Drucker immer funktionieren, die Meeting-Räume sauber sind und der Internetverbindung nicht der Schnauf ausgeht. Perfekt für Startup's, welche schnell wachsen, laufend neue Mitarbeiter einstellen und sich auf das Kerngeschäft und nicht die Bürovergrösserung fokussieren wollen. Cornflakes mit Sojamilch Natürlich bietet WeWork auch ein Netzwerk von Mentoren und ein kleines Rahmenprogramm an Events nach oder während der Arbeit. Am ersten Montag traf man sich zu etwas Cornflakes, Sojamilch und Fruchtsalat. Gestern Abend, als Beispiel, sah ich im Augenwinkel (und später im Ohrenwinkel) eine Whiskey-Degustation vonstattengehen. Spannend wird es jeweils am Mittag, wenn sich der Eingang zum Büro und der Verpflegungsbereich in ein wahres Bienenhäuschen verwandelt. Dann packen die Asiaten ihre Nudeln und Reisgerichte aus und schlingen diese runter als gäbe es kein Morgen. Das in der mittäglichen Euphorie noch niemand die Topfpflanze angeknabbert hat, gleicht einem kleineren Wunder. Laufende Nase: Beim Stichwort Essen juckt direkt wieder meine Feder. Hier gibt es traditionell einiges zu erzählen. Eine erste Randnotiz, welche ich gerne preisgeben möchte, ist die folgende: "Gustatorische Rhinitis." Oder in normal-sterblicher Sprache: "Nasenlaufen beim Essen". Was bei mir vor einigen Jahren fies-schleichend nur bei scharfem Essen angefangen hat, ist heute ein fester Bestandteil meiner Nahrungsaufnahme. Meine Nase läuft, wann immer ich etwas (grösseres) esse. Um so schärfer und würziger das Essen ist, um so stärker tropft die Nase. Also habe ich erneut die Datenkrake um Hilfe gebeten und den Beschreib von folgendem Symptom gefunden: "In Zusammenhang mit dem Essen. In einigen Fällen, aber nicht ausschliesslich, scharfe oder würzige Nahrungsmittel." Doktor Google lieferte also einen direkten Volltreffer aber ohne befriedigenden Lösungsvorschlag. In Anbetracht des voraussichtlich scharfen und würzigen Essens in China wird das ein fliessender Aufenthalt in China. Keine Messer Noch bin ich nahrungstechnisch nämlich noch nicht in China. Klar, Reis und Nudeln gibt es auch hier zuhauf. Aber die philippinische Küche ist nicht besonders scharf und gelinde gesagt auch etwas eigen. Mit "Greenwich" habe ich nämlich einen ernsthaften Jollibee Konkurrenten gefunden. Auch dieser serviert sowohl Reis, Poulet, Spaghetti und Pizza auf ein und demselben Teller. Nase läuft. Eine andere Kuriosität betrifft das Besteck. Wo immer man Essen geht, bekommt man in der Regel lediglich eine Gabel und einen Löffel. Ein Messer sucht man dabei vergebens. Während ich in klassischen Restaurants anfangs noch an etwas häufig auftretende "Versehen" vom Servicepersonal glaubte, schob ich die Schuld für fehlende Messer bei den grossen Fastfood-Ketten auf potentielle Sparmassnahme oder gar allfällige Sicherheitsbedenken. Keines davon ist wahr. In den Philippinen scheint es ziemlich üblich zu sein ohne Messer zu essen. Was nicht gerade als Steak daher galoppiert kommt, lässt sich auch mit einer Gabel oder einem Löffel teilen. Den Praxistest habe ich freiwillig oder unfreiwillig unterdessen doch schon mehrfach absolviert. Wie man korrekt Jeepney fährt Topfpflanzen können nicht klüger werden, Menschen schon. Also habe ich bei meinen lokalen Informanten vor Ort nachgefragt und unterdessen herausgefunden, wie man korrekt mit den bunten Jeepney's fährt. Ich nimm's vorweg: Die Dinger halten effektiv überall. Wenn es sein muss, durchaus auch in Kurven oder mitten in Kreuzungen. Am Strassenrand macht man dabei ein Handzeichen zum Fahrer, sendet noch überhastet ein Stossgebet in den Himmel, rennt über sämtliche Fahrspuren und zwischen unzähligen Motorhauben hindurch zum Fahrzeug - und steigt ein. Wenn alles normal läuft - ist es bereits voll. Wenn alle zusammenrücken, passt man aber bestimmt noch rein. Lokaler Informanten-Tip: Auch der Fusstritt am Heck hat eine Daseinsberechtigung. Also habe ich es ausprobiert. Im Jeepney selbst ist es so eng, dass man kaum nach vorne kommt. Es gibt nur zwei seitliche Sitzbänke - eine Bank auf der linken Seite und eine Bank auf der rechten Seite. In den Gang in der Mitte passt kaum eine Topfpflanze. Das Geld lässt man nach vorne zum Fahrer reichen. Kein Witz. Alle Passagiere helfen dabei mit. Fahrscheine oder Tickets gibt es keine. Wo man gedankt wieder auszusteigen, ruft man einfach nach vorne. Dann, etwas später, nachdem das Geld durch etwa sechs philippinische Hände nach vorne zirkuliert wurde, erreicht es effektiv auch den Fahrer, welcher mit hoher Wahrscheinlichkeit gerade einem Töff oder dem Pferd ausweicht. Ab diesem Punkt ist man also offiziell ein Fahrgast. Im Fahrtwind auf Jollibee-Safari Vorbei geht es an bezaubernden, doppelstöckigen Beton-Strassenbauten und mit Ventilatoren-vollbepflasterten Blockbauten. Der Smog lässt die Haare im Fahrtwind flattern. Nach drei erzwungenen Notbremsen (leicht dramatisiert), mindestens 19 Spurwechseln (nicht dramatisiert) kommt die erste grosse Überraschung: Das Rückgeld kommt daher gereicht. Das hätte ich komplett vergessen. Die zweite Überraschung ist mir ebenfalls entfallen. Und die dritte auch. Es könnte aber das Pferd sein, welches beim Halt an einem Rotlicht sein Kopf durch die Seitenöffnung vom Jeepney streckte und nach dem Rechten schaut. Ist so leider noch nicht passiert, darum springe ich nun direkt zum Schluss der Reise. Halten kann man die Dinger mit einem "Parra! Parra!"-Ruf in Richtung des Fahrers. Möglicherweise wäre es aber noch wichtig, direkt nach dem "Halt!-Halt!"-Ruf nochmals ein Stossgebet in den Himmel zu jagen. Man weiss ja nie, auf welcher Spur der Jeepney dann effektiv auch anhält und vor allem was dabei dahinter noch angerollt oder angaloppiert kommt. Viel Zeit zum Aussteigen hat man nämlich nicht. Der Fahrer stoppt seinen Jeep in der Regel nur für wenige Sekunden. Als ich dann wie ein gefederter Frosch, vollgeschwitzt und mit krummem Rücken das Fahrzeug verliess, wurde mir wieder bewusst wie toll die Grab-Taxi Geschichten eigentlich sind. Darum folgt hier gleich nochmals eine: Grab-Taxi #4 Der Frosch ist dabei ein gutes Stichwort. Als ich am nächsten Morgen nämlich erneut ein Grab-Taxi zu meiner Unterkunft beorderte, staunte ich nicht schlecht als nach jeder Richtungsanweisung vom Navigationsgerät ein Frosch-ähnliches Quaken ertönte. Schnell wurde mir klar, dass mich hier ein kleiner Witzbold aufgeladen hatte. Dieser wollte sein Navi und damit die Fahrt mit dieser Einstellung etwas unterhaltsamer machen. Nicht mehr zum Quaken zumute war es ihm aber, als er buchstäblich mitten auf einer der grössten Kreuzungen der Stadt zum Stehen gekommen ist. Eigentlich wollte er mit den vorderen Fahrzeugen noch durchrollen. Das Lichtsignal war dabei höchstwahrscheinlich längst auf Rot geschaltet. Offensichtlich hatte er aus unerklärlichen Gründen dann aber den Anschluss zu den vorderen Fahrzeugen verloren. Das war verheerend. Eine Lücke bildete sich. Gleichzeitig rollte seitlich bereits die neue Verkehrswelle an. Diese bedrängte ihn nun von allen Seiten und schloss die Lücke sogleich. Also standen wir buchstäblich MITTEN in der Kreuzung. Den pfeifenden Tinnitus der hupenden Lastwagen hatte ich noch stundenlang im Ohr. Dann aber standen plötzlich drei Polizisten auf der Fahrerseite. Nur widerwillig liess mein Fahrer das Fenster hinunter. Dann schäumte er vor Wut. Die Lebensfreude hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Teich aufgelöst. Wie nahe er an einem Strafzettel vorbeischlitterte, merkte ich an der Gestik, dem Schweiss auf der Stirn, dem Geschrei aller beteiligten, sowie an seinem hochroten Kopf. Auch diese Geschichte endete glücklich für uns. Nach meiner Frage, ob da möglicherweise noch eine Busse ins Haus flattern könnte, meinte er aber zuversichtlich "nein" - und lachte dabei schelmisch. Anschliessend liessen wir uns vom Navigationsgerät weiter durch die verstopften Strassen zum Zielort quaken. 15/1/2020 1 Comment Blog #3 - Alle Flüge gestrichen!Endzeitstimmung über Metro Manila
Der etwa 70km von Manila entfernt liegende Vulkan "Taal" spuckt Asche. In den Strassen zwischen den riesigen Wolkenkratzern mussten sich gerade apokalyptische Szenen abgespielt haben, als sich der Staub schleichend über Metro Manila niederlegte. Obwohl ich traditionell stets gut informiert bin, hätte ich davon beinahe nicht mal etwas mitgekriegt, verbrachte ich doch tatsächlich den ganzen Sonntag im WeWork-Büro. Als ich am Morgen nichtsahnend mit einen Grab-Taxi (die asiatische Version von Uber) von Manila nach Makati chauffiert wurde, war die Welt aber noch in Ordnung. Zumindest für mich. Grab Taxi Der Fahrer (68 Jahre alt) hatte sich frisch in der Taxi-Vermittlungs-App registriert und kämpfte mit der dahinter liegenden Technologie. Das merkte ich aber erst, als ich in seinem tadellos sauberen Fahrzeug Platz nahm. Gefunden hatten wir uns noch pünktlich und ohne Probleme, doch dann drückte er in der App anstatt den vorgesehen Knopf "zum Zielort" doch tatsächlich wieder auf den Abholpunkt - und dieser war buchstäblich mitten in der Stadt an der Seite einer etwa achtspurigen Strasse. Also zeigte das Navigationsgerät einen Weg an, welcher das Taxi einige hundert Meter der Strasse nach bis zu einer grösseren Kreuzung führte. Das wäre noch richtig gewesen. Dann aber, dass sah ich von der Taxi-Hinterbank aus, lotste ihn das System einmal rund um einen riesigen Shopping-Komplex, durch verwinkelte Strassen und Gassen, vorbei an mindestens 7 Jollibee's, mitten durch einen weiteren massiven Verkehrsknotenpunkt (bei dem der ultimative und totale Verkehrskollaps direkt hinter der nächsten Ecke lauert) und letztlich zurück zum Startpunkt. Also versuchte ich dem Fahrer höflich meine Skepsis kundzutun, dass sein Navi ihn voraussichtlich nicht nach Makati führen wird. Dies ist aber gar nicht mal so einfach auf Englisch, wenn der Gesprächspartner kein Englisch versteht. Zusätzlich musste er sich auf die Strasse konzentrieren, weil er gerade von (handgezählten) fünf Motorrädern, zwei TukTuk-ähnlichen Vehikeln, einem Auto und einem Pferd in die Zange genommen wurde. Lange Story, kurzer Sinn. Ich erreichte den gewünschten Zielort ohne Probleme. Die gesunde Skepsis der Generation Silberhaar an der neusten Technologie liess ihn bei jedem vorgeschlagenen Abzweiger ebenfalls stark (laut - in philippinisch) zweifeln. Das bringt mich direkt zum nächsten Thema. Die Sprache Tagalog ist die Nationalsprache der Philippinen und wird vorwiegend rund um Manila gesprochen. Eigentlich ist es ein grosser Mix aus verschiedenen Sprachen. Die Spanier trugen während ihrer langen Kolonialzeit (um das 16. Jahrhundert) ihren Teil zur Beeinflussung der Sprache und der Kultur bei. Viele Strassen, Orte und auch Menschen tragen auch heute noch einen spanische Namen. Die USA dann, etwa um die Jahre 1898 bis 1946, amerikanisierten das Land vollends. Nicht nur mit dem Essen, dem Fernsehen und dem Präsidenten, auch die englischen Wörter drücken in Tagalog an allen Ecken und Enden durch. Ganze Sätze werden direkt in reinem Englisch gesprochen. Es scheint so, als würde man gerade die Sprache nehmen, die einem am besten passt. Vor allem Zahlen werden fast ausnahmslos in Englisch ausgesprochen. Gemäss Kollege - weil einfacher. Das lassen wir mal so stehen. Grab Taxi 2 Nicht ganz so einfach aber scheint es zu sein, zwischen den Wolkenkratzern in Makati die richtige Einfahrt ins Innere des Gebäude-Komplexes zu finden. Als ich nämlich am Sonntagabend (nach dem Vulkanausbruch) wieder nach Hause wollte, orderte ich mir unerschrocken von den morgendlichen "Herausforderungen" erneut ein Grab-Taxi. Dieses, so sah ich in Echtzeit auf der Kartenfunktion der App, umkurvte den Wolkenkratzer aber ganze fünf Mal, bevor es letztlich die richtige Spur zur Einfahrt ins Innere erwischte. Da es bereits auf dem Hinweg etwas in zeitlichen Verzug geraten war und dann pro Runde um den Turm etwa 5 Minuten benötigte, erreichte es den Innenhof letztlich mit satten 30 Minuten Verspätung. 25 Minuten davon hatte ich stehend damit verbracht, seine Zusatzschlaufen (wie bei einem Biathlon) auf dem Smartphone-Bildschirm mitzufiebern. Als der Wagen dann letztlich durch die Einfahrt angerollt kam (und meine Fieberkurve sank), war ich erleichtert, dass es mit diesem Fahrer trotz der happigen Verzögerung doch noch geklappt hatte. Also öffnete ich die Tür und setzte den ersten Fuss in sein Auto. Doch der kleinere "Störfall" hielt ihn nicht davon ab, als erstes einmal eine Runde laut-hals loszulachen und dabei vor lauter Freude mit beiden Händen auf das Steuerrad zu klopfen. "Endlich habe ich es geschafft!" schrie er vor Aufregung, noch bevor ich vollständig in seinem Auto Platz genommen hatte. Also lachte ich mit ihm. Auch er war neu auf der App. Grab Taxi 3 Am Montagmorgen dann, als die News über den Vulkanausbruch dank lokaler Quellen auch mich noch erreichten, entschied ich mich auf den morgendlichen Fussmarsch zur Metro aus gesundheitlichen Überlegungen zu verzichten. Eine Gesichtsmaske trug ich zwar auch an normalen Tagen, weil der Smog zwischen den Hochhäusern wirklich einfach nur schrecklich ist, aber an diesem Morgen war die Stadt schon ziemlich lahmgelegt. Kaum jemand arbeitete. Selbst im WeWork Büro fehlten die Mitarbeiter. In den beiden Wolkenkratzer arbeiten an normalen Tagen um die 30'000 Menschen. Der Taxifahrer erzählte mir davon, wie er wegen des Vulkanstaubs sein Auto reinigen musste. Auch bewegten sich auf der Frontscheibe anstatt der Navi-Karte stattdessen die Fernsehbilder über den Vulkanausbruch. Dieser Taxifahrer hatte übrigens überhaupt keine Probleme mich am richtigen Ort auf- und abzuladen. Die geschilderten Fälle oben gehören effektiv der Minderheit an. Meine Erfahrungen mit Grab-Fahrern waren, mit Ausnahme der geschilderten Fälle oben, wirklich positiv. Wer hat ihn angezündet? Um noch einige Leserfragen zu beantworten: Nein, ich habe den Vulkan nicht angezündet und nein, ich plane auch nicht irgendwelche philippinische Würstchen über dem Lava zu brutzeln. Die Situation scheint mir ziemlich normal hier. Klar, der Staub hat sich über die Stadt gelegt und viele gingen nicht zur Arbeit. Ansonsten läuft aber bereits jetzt wieder alles wie an normalen Tagen. Wie ein normaler Tag von mir hier aussieht und was man dabei so erlebt, verrate ich euch vielleicht im nächsten Blog-Post. 6/1/2020 2 Comments Blog #2 - Kulinarische PerlenÜber das Wochenende hat mich der Selbsterhaltungstrieb erneut gleich mehrere Male aus dem Penthouse gejagt.
Auf der Suche nach (weiteren) kulinarischen Perlen durchforstete ich sowohl das Internet als auch die Gassen im realen Leben. Obwohl der Duft der grillierten Fleischspiesse stets überwältigend ist und je nach Wind bis zum Swimmingpool in den 6. Stock hoch reichen kann, bevorzuge ich es am Wochenende meist in denn "Food Courts" der Einkaufszentren zu essen. Tönt langweilig, ist es aber nicht. Meine Nahrung nehme ich zwar nicht ausnahmslos dort ein, aber die Vorzüge einer klimatisierten Halle, mit liebevoll eingerichteten und sauberen Restaurants, angenehmen Sitzgelegenheiten und einer stabilen Internetverbindung sind eben doch zu verlockend. Generation Y (Millennial) schreibt hier. Persönliche Begrüssung Auch über die persönliche Begrüssung beim Eintreten der Shopping Mall kann man sich kaum beklagen. Sämtliche Eingänge werden von Sicherheitskräften bewacht, welche die Taschen und Rücksäcke jedes einzelnen Gastes kontrollieren. Als ich letztens wieder mal zielstrebig mit dem Laptop im Gepäck durch die Schleuse wollte, wurde ich mit einem überaus freundlichen und langgezogenen "Heeeeeeeey Baby! What is your name?" von einer Security-Dame begrüsst. Etwas überrascht von der direkten Direktheit (und dem MeToo-Skandal im Hinterkopf) musste ich einmal kurz durchschmunzeln bevor ich ihr mit der gleichen Freude aber in anderer Tonlage (ohne Schwingungen) meinen Namen verriet. Weil sich hinter mir aber bereits wieder eine Menschentraube bestehend aus etwa 50 Pinoys gebildet hatte, blieb keine Zeit für einen weiteren Austausch. Allgemein beschleicht mich das Gefühl, dass hier sowohl Philippinos als auch Philippinas relativ (sehr) offen mit Weisshäutlern kommunizieren. Im hauseigenen Swimmingpool kamen, noch bevor ich die ersten 10 Längen gedelfint bin, zwei Philippinas aus der Pool-Ecke angeschwommen. Interessiert wollten sie mehr über "den Grund" meiner Reise erfahren. Hier weiss man also direkt wo die Krabbe krabbt. Der Moloch Die Philippinen sind sehr nah an der Südgrenze zu China, verfügen über relativ viele günstige und gute Programmierer, niedrige Lebenshaltungskosten, und eigneten sich in meinem Fall deshalb perfekt für einen Zwischenstopp. Für mein neues Startup-Projekt, so fand ich bei meiner Reiseplanung, wäre es also optimal, hier einige Wochen Luft (Feinstaub) zu schnuppern. Im Gegenzug heisst das aber auch, dass ich fast 20 Nächte in einer Stadt (Manila) verbringe, welche wenig im klassisch touristischen Sinne zu bieten hat und in meinen Vielflieger-Kreisen (Gedenkminute für Greta) gerne auch als Moloch betitelt wird. Mit den massiven, überirdischen Beton-Metrolinien und den riesigen Gebäudebauten ohne jeglichen architektonischen Reiz muss ich dies aber zumindest teilweise auch bestätigen. Somit verzichte ich während meines Aufenthalts auf die traumhaften Strände in den anderen Teilen der Philippinen, da die Manila Bay selbst nicht gerade zu Strandferien einlädt. Aus der Hängematte Sowieso bin ich jetzt endgültig aus der Hängematte geflogen. Mein inoffizielles Sabbatical neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu, sollte es überhaupt je ein Sabbatical gewesen sein. Nach meinem Exit beim letzten Startup habe ich die Zeit genutzt und zahlreiche Nebenprojekte gestartet. Ich habe endlich Dinge gemacht, für welche ich vorher kaum mehr Zeit gefunden hatte. Die Zeit während des Reisens konnte ich also perfekt nutzen. Vielleicht auch dank meines hohen Grads an Selbstdisziplin verfiel ich nie in eine Produktivitäts-Totenstarre. Und auch hier in Manila scheint mir das nicht zu passieren - ganz im Gegenteil. Manila nach Makati - täglich Ich pendle jetzt offiziell von Montag bis Freitag von Manila nach Makati. Bereits Anfangs Woche hatte ich mich bei WeWork, einem Co-Working Space, eingemietet und bin nach den ersten 5 Tagen vollends zufrieden. Top Internet, genügend freie Arbeitsflächen, nette Leute und eine angenehme Atmosphäre. Meine Produktivitätsrate ist direkt nochmals in die Höhe geschossen. In den letzten Tagen verbrachte ich die ganze Zeit hier - bis es dunkel wurde. Und das Wichtigste ist, es macht grossen Spass. Sagt die Biene zum Stachelschwein (schön ist es auf der Welt zu sein) ich stehe wirklich gerne auf am Morgen. Ja, ich freue mich regelrecht, endlich aus den Federn springen zu können und die neusten Entwicklungen in meinem Software-Projekt zu sehen. Zeitverschiebung Auch die Zeitverschiebung spielt mir in die Karten. Während ich am Morgen die neusten Updates in der Softwareentwicklung analysieren kann, erwacht am Nachmittag Europa. Dann können wir zusammen diskutieren, entscheiden und die nächsten Schritte planen. Über Nacht setzen dann meine Kollegen in Europa die Änderungen um. Und schon freue ich mich wieder auf den nächsten Tag. Die Zeit dazwischen schreibe ich für euch, lerne Chinesisch, versuche nicht in einen Jollibee hineingetrieben zu werden und erweitere mein Netzwerk mit den Leuten, die mir hier gerade so über den Weg stolpern. Schwer vorstellbar, dass es einem hier langweilig werden könnte. Pendelzeit Die Reise ins Büro dauert rund eine Stunde von Tür zu Tür. Das heisst aber auch, dass ich die offizielle philippinische Rush-Hour mitmache. Und ich gebe mir dabei das volle Programm mit der Metro. Ok, zugegeben, die MRT (Metro) nutze ich "nur" am Morgen. Diese kostet 20 PHP pro Fahrt (0.30 CHF). Am Abend war es bisher oft schon dunkel und meist gehe ich noch mit jemandem Abendessen. Letztlich nehme ich also oft das Taxi nach Hause. Was man aber so erlebt, wenn man in Manila mit der Metro pendelt oder eben nicht mit der Metro pendelt, verrate ich euch im nächsten Blog-Post. Januar 2020 Hier bin ich also: Manila, Philippinen. Penthouse, ca. 40. Stock. Noch nicht in China, aber nah dran. Der Blick auf die Bucht von Manila. Dahinter, das Südchinesische Meer. Das wohl grösste, ungelöste, maritime Pulverfass unserer Welt, weit am Horizont. Ein geopolitischer Hotspot. Hier treffen sicherheitspolitische und ökonomische Interessen zahlreicher Anrainerstaaten aufeinander, die teilweise dieselben Seegebiete für sich beanspruchen. Ok, ich merke, meine politischen Interessen drücken hier etwas durch. Ich verschone euch. Ich akklimatisiere mich in Manila gerade etwas an und büffle die letzten chinesischen Vokabeln, bevor ich dann gegen Ende Januar direkt nach Shenzhen fliege. Rund zwei Stunden wird der Flug dauern, ein Katzensprung. Erst Mitte Februar 2020 beginnt dann der Unterricht in der Sprachschule. Also akklimatisiere ich mich auch in Shenzhen nochmals etwas an, bevor der Unterricht dann effektiv beginnt. Ein Schelm, wer jetzt Böses dabei denkt. Man kann ja nicht so ganz ohne Weiteres von einer Hängematte direkt wieder auf eine Schulbank, oder? Der erste Spaziergang in Manila Die Panoramascheiben mit Sicht auf die Manila Bay ermöglichen einen Blick auf den regen Schiffsverkehr rund um den riesigen Hafen. Fischerboote, Militärschiffe, Containerschiffe. Hier schlägt mein Logistiker-Herz höher. Wie versorgt man 13 Millionen Menschen in Metro Manila? Wieviel potentielles Wirtschaftswachstum es hier in den nächsten Jahren noch geben könnte, wurde mir bewusst als ich am 1. Januar 2020 um ca. 08:00 Uhr auf der Suche nach einem Frühstücksrestaurant die ersten 200 Meter die Strasse hinunterschlich. In der Nacht zuvor, dem Silvesterabend, liess ich mich noch direkt mit dem Taxi vom Flughafen zur Unterkunft chauffieren. Diesmal nun, nur wenige Stunden danach, die ersten Schritt bei Tageslicht auf philippinischem Boden. Der morgendliche Spaziergang in einem der notabene luxuriöseren Stadtviertel, verdeutlichte mir aber einmal mehr wie nah Armut und Reichtum beieinander liegen können. Auf diesen 200 Metern, in nur 5 Minuten zu Fuss, habe ich mindestens 40 Menschen auf der Strasse schlafen sehen. Ganze Familien, die Kinder aneinander gekuschelt. Alle lagen sie da auf nacktem Boden und ohne Decken. Willkommen im Jahr 2020. Flucht ins Penthouse Also bin ich nach dem Frühstück zurück in mein Penthouse geflüchtet. Ein "günstiges" Airbnb. Meiner Meinung war das ein wahres Schnäppchen. Hier ist er wieder, der Wahnsinn dieser Welt. Die Flucht aus der Realität. Das Hochhaus beheimatet einen hauseigenen Pool im sechsten Stock und ein Fitnessstudio. Am Eingang des 40-stöckigen Hochhauses - natürlich Eingangskontrollen. Hier oben kann ich mich fokussieren und mich in Ruhe meinen zahlreichen Projekten widmen. Das Südchinesische Meer und die Probleme der Obdachlosen - weit weg. Die Realität - ausgehebelt. Doch einige Stunden später hat es mich für die routinemässige Nahrungsaufnahme wieder raus in die Gassen getrieben. Ganz nach dem Motto meines Vaters, nach Ankunft immer erstmal die Strassen rund um das Hotel zu erkunden, lief ich einmal mehr die Strasse runter, um die Ecke, und die nächste Strasse wieder rauf. Die Luftfeuchtigkeit und Temperatur nun spürbar höher. Das hektische Treiben auf den Strassen - unfassbar. Die Stadt ist aufgewacht. Die schlafenden Menschen? In der Menge untergetaucht. Ein paar Bettler hier und da, aber ansonsten war es in etwa das Manila, auf das ich mich mental eingestellt hatte. Jollibee Also führte ich meine erste grössere Erkundungstour fort. Vorgefunden habe ich unter anderem ein 7-stöckiges Shoppingcenter in unmittelbarer Nachbarschaft, das aber an den meisten Tagen erst um 11:00 Uhr öffnet. Die Uhren scheinen hier tatsächlich etwas anders zu ticken. Der lokale McDonald's (der übrigens auch Reis verkauft), gleich gegenüber von meinem Hochhaus, ist natürlich Tag und Nacht geöffnet. Jollibee, die mit Abstand populärste und grösste Fast-Food Kette in den Philippinen - ebenfalls. Diese Kette scheint besonders auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen und verkauft den panierten Pouletschenkel mit Spaghetti und Tomatensauce gleich mit dem Reis dazu, aber (weil so gut) auch noch mit einem Hacksteak, dazu Rahmsauce, Pilze und Käse - alles auf einem Teller. Für umgerechnet CHF 2.85. Und mit Getränk. Um aber einen solchen paradiesischen Jollibee erreichen zu können, muss man es zuerst einmal heil und lebend über mindestens eine Strasse (denn Jollibee's gibt es nahezu an jeder dritten Strassenecke) schaffen. Ganz so einfach ist das nämlich nicht. Grund? Ein eklatanter Mangel an Zebrastreifen. Wer schon mal als Tourist oder geschäftlich in Südostasien war, kann dies wohl bestätigen. Am besten haftet man sich unauffällig einem Einheimischen an die Fersen. Sobald man dann, seitlich (ist sicherer) neben ihm, über die mehrspurige Strasse, dem Jollibee langsam aber sicher immer nähert kommt, und das Essen schon fast vor Augen hat, könnte man höchstens noch von einem Roller angefahren werden. Etwas blöder wäre es allerdings, würde man stattdessen von einem bunt bemalten philippinischen Jeepney überrollt werden. Bunte Jeepney's Die länglichen, halb-offenen Transportbusse sind legendär in Manila. Ursprünglich waren das Jeeps der US-Amerikaner, welche diese als Besatzungsmacht aber zurückgelassen hatten. Die Philippinos montierten dann kurzerhand noch ein Schattendach bemalten die Dinger bunt und mit religiösen Motiven. Wer noch damit fahren möchte, sollte sich aber beeilen. Anscheinend plant die Regierung diese aus dem Stadtbild zu entfernen. Kaum vorstellbar, noch sieht man sie überall. In Manila sollen rund 75'000 dieser Fahrzeuge registriert sein, im ganzen Land bis zu 270'000 Stück. Noch immer habe ich nicht ganz herausgefunden, ob hier an Haltestellen eingestiegen wird oder nicht. Immer wieder springen die Leute mitten auf der Strasse raus und rein. Chaos pur. Aber wahrlich ein Hingucker. Offiziell bietet der Jeepney etwa 14 Personen einen Sitzplatz. Nicht mit eingerechnet ist der Überrollte und die in der Rush-Hour zahlreich am Heck hängenden Philippinos, welche unglücklicherweise keinen Platz mehr auf den beiden Banken links und recht im Bus ergattern konnten. Ausserdem gibt es die Jeepney's auch in einer Luxusvariante mit Klimaanlage. Glück muss man haben, um ausgerechnet einen von diesen zu erwischen. Überhaupt muss man etwas Glück haben, um in der Rush-Hour noch einen Platz im oder am Jeepney zu erwischen. Bus komplett überfüllt. Metro maximal gestopft. Pinoy aber trotzdem happy. Sprachaufenthalt Die Geschichte wiederholt sich also. Nein, natürlich nicht die Geschichte mit der Hängematte. Die Geschichte mit dem Sprachaufenthalt meine ich. Vor ziemlich exakt 10 Jahren war das, damals noch in den letzten Zügen der saftigen Teenagerjahren. Ich ging in den nahen Westen, nach England. Dort hatte ich mir eine Stadt in den Kopf gesetzt, die Freude und Glück über mich erbringen sollte. So war es dann auch. Ein Puzzelteil in meinem Leben. Dort habe ich das erste Mal angefangen wirklich über mein Leben nachzudenken und auch was ich daraus zumachen gedenke. Nun ist es also erneut soweit. Shenzhen in China soll es diesmal sein. Ist vielleicht etwas weiter weg und soll kulturell auch etwas ferner liegen als das Vereinigte Königreich, aber meine Ziele sind grundsätzlich Dieseleben geblieben. Freude und Glück soll die Stadt über mich erbringen. Shenzhen ist sowas wie das Sillicon Valley von China. Ein Ort, wo aufstrebende Jungfirmen (Startups) aus der Tech-Szene (Internet Technologie) fruchtbaren Boden finden. Hier treffen sich Menschen, welche die Welt verändern wollen. Hier muss ich hin. Also habe ich, genau wie damals, die Trolleytasche gepackt. Emotionaler Abschied am Bahnhof mit meinem Eltern. Ja, ich komme wieder. Und ja, ich lasse von mir hören, versprochen. Es ist mal wieder der Anfang eines neuen Zeitabschnitttes. Wer ich bin? Mein Name ist Andrin. Ich komme aus der Schweiz und stehe durchschnittlich zwei Mal pro Jahrzehnt vor tektonischen Veränderungen in meinem Leben. Und weil mein letzter Blog, vor ziemlich exakt 10 Jahren, bei meiner Robbenkolonie wahnsinnig grossen Anklang gefunden hatte, spitze ich die Feder nun ein neuerliches Mal. Wieder sollte man das Geschriebene von mir nicht allzu ernst nehmen. Und wieder habe ich mich aufgemacht in eine neue Welt. Doch diesmal ist es nicht der nahe Westen sondern der ferne Osten. Diesmal ist das Ziel Shenzhen, China. |
Wer ich bin?Mein Name ist Andrin. Ich komme aus der Schweiz und stehe durchschnittlich zwei mal pro Jahrzehnt vor tektonischen Veränderungen in meinem Leben. |